
Endlich wieder ein kantiger Typ beim FC Aarau
Ich bin der Stefan Maierhofer, gross und stark und ich will Fussballprofi werden.» Mit einem Anruf bei einem Spielerberater startet Stefan Maierhofer im Jahr 2003 seine Profikarriere, die ihn via Wien, München, London, Köln und Salzburg nach Aarau führte. Maierhofer ist in vielerlei Hinsicht beeindruckend: 2,02 Meter Körpergrösse, 100 Kilo Kampfgewicht, Schuhgrösse 48,5, eine famose Torquote (7 Tore in 5 Spielen) und viel Wiener Schmäh. Letzteren lässt er beim Redaktionsbesuch immer wieder aufblitzen, nur einmal ist er sprachlos.
Stefan Maierhofer, Hand aufs Herz. War Ihnen der FC Aarau vor einem halben Jahr ein Begriff?
Stefan Maierhofer: Gehört habe ich davon schon mal.
In welchem Zusammenhang?
Vor über zehn Jahren wollte mich Ciriaco Sforza zum FC Luzern holen. Da habe ich mich mit der Schweizer Liga auseinandergesetzt und von Aarau gelesen.
Als Sie im September geholt wurden, stand auf dem FCA-Notenblatt «sechs Spiele, null Punkte». Andere hätten die Finger davon gelassen.
So eine Situation war neu für mich und ich habe mich gefragt: «Was ist da los?» Aber nach den Gesprächen mit dem Trainer und dem Sportchef war ich motiviert, dem Verein zu helfen.
Als der Verein nach dem Fehlstart einen 36-Jährigen holte, war mein erster Gedanke: Verzweiflung pur!
Sie suchten einen, der als Typ und Motivator die anderen Spieler wachrüttelt. Ich habe das schon mal gemacht vor einigen Jahren, als ich für vier Spiele zu Wiener Neustadt ging und frischen Wind reinbrachte. Unter anderem mit der berühmten Bananenschnitte.
Mit was bitte?
Mit der Bananenschnitte! Ein Gemisch aus Pudding und Bananen. Die Geschichte geht so: 2008 war ich bei Rapid Wien, als es auf Auswärtsfahrten nie etwas zu essen gab. Anfangs habe ich mir Snickers oder Haribo-Gummizeugs geholt, aber auf Dauer war das nichts. Vor einem Spiel in Salzburg habe ich meine Mutter gebeten: Mach uns bitte einen guten Snack. Sie hat mir eine Bananenschnitte für die ganze Mannschaft mitgegeben. Wir waren mit dem Bus noch nicht mal auf der Autobahn, da war die Schüssel bereits leer.
Gabs die Bananenschnitte auch schon für die Kollegen in Aarau?
Meine Mutter war leider noch nicht da. Aber mein Vater beim Heimspiel gegen Rapperswil (3:0; d. Red.), und der hat mir einen Gugelhupf von meiner Mutter mitgebracht.
Sie haben die Mitspieler in Aarau dafür schon mit Socken und Kopfhörern beschenkt. Wie kam das?
Neue Spieler müssen 300 Franken in die Mannschaftskasse bezahlen, quasi als Eintrittsgebühr. Ich habe mir gedacht: Von ein paar Noten in der Kasse hat die Mannschaft nichts, ich organisiere mit meinen Kontakten lieber ein paar Geschenke. Die Sachen kommen gut an, da ist es egal, dass es mich mehr als 300 Franken gekostet hat.
Woher kommt Ihre soziale Ader?
Erziehung. Meine Eltern haben ein Gasthaus. Einmal im Jahr haben wir bedürftige Kinder eingeladen und sie einen Nachmittag lang verwöhnt. Mit Bootfahren, mit einem guten Schnitzel und Eis mit gaaanz viel Vanillesauce. Das Lachen der Kinder gibt dir viel mehr, als 1000 Euro in eine Spendenbox zu hauen.
Warum wurden Sie Fussballer und nicht Wirt?
Ich bin gelernter Koch und Restaurant-Fachmann und habe acht Jahre im Betrieb gearbeitet. Zwischen 16 und 18 habe ich den Fussball ganz aufgegeben, weil mein Vater krankheitshalber ausfiel. Mit 22 sagten meine Eltern: Fussball oder das Gasthaus. Ich wollte es unbedingt als Profi versuchen, habe einen Berater angerufen und gesagt: Ich bin der Stefan Maierhofer, gross und stark und ich will Profi werden.
Sie haben in 17 Jahren bei 17 Klubs gespielt. War das der Plan?
Ich bin schon der Abenteurer-Typ und wollte Momente sammeln. Zum Glück hatte ich nicht immer eine Freundin.
Obwohl Sie bei keinem Verein länger als zwei Jahre waren, haben Sie überall Kultstatus.
Die Leute schätzen meine offene und ehrliche Art. Und ein paar Tore habe ich auch geschossen. In Duisburg war ich nur ein Jahr, aber die würden mir heute noch eine Statue bauen, weil ich sie ins Pokalfinale geschossen habe.
Wie viele Trainer haben Ihnen eine Profikarriere vorausgesagt?
Keiner! Meinem Vater haben sie damals gesagt: Das mit dem Stefan und dem Profifussball, das erledigt sich von selber, der ist zu gross.
Was halten Sie von der heutigen jungen Spielergeneration?
Ich sag den Jungen: Schätzt, was ihr habt. Und wenn zweimal am Tag Training ist: Raunzt nicht rum!
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Mit Fussballschauen und mit Haushaltsarbeit. Ich habe Zöliakie (Glutenunverträglichkeit; d. Red.) und mache mir daher mein Essen am liebsten selber. Mit Putzen geht die Zeit vorüber.
Haben Sie finanziell ausgesorgt?
Ich hab gutes Geld verdient, aber ich muss nach der Karriere arbeiten.
Wann beenden Sie Ihre Karriere?
Ein, zwei Jahre will ich noch spielen. Wenn ich an die Emotionen vor einer Woche in Schaffhausen denke, wie mich die Gegner niedergemacht und beschimpft haben – einfach geil!
Brauchen Sie die Provokationen?
Das macht den Fussball doch aus! Man bekämpft sich, aber am Ende gibt man sich die Hand und gut ist.
Sieben Tore in fünf Spielen. Sind Sie mit 36 so gut wie nie?
Gut möglich. Ich bin ja erst mit 22 Profi geworden, dafür geht es bei mir hintenraus länger. Meine Knochen sind stabil.
So stabil, dass Sie bald den Vertrag beim FC Aarau verlängern?
Für Gespräche bin ich immer offen. Die Situation ist jetzt eine ganz andere, als ich im September gekommen bin. Ich will einfach rechtzeitig Bescheid haben, ob man weiter mit mir plant.
Wie kann sich der FC Aarau Stefan Maierhofer überhaupt leisten?
Finanziell verkaufe ich mich in Aarau unter Wert. Der Verein konnte mir nicht geben, was ich wollte. Aber nach den Gesprächen brannte das Feuer in mir und ich war bereit, auf wirklich viel Geld zu verzichten,
Ohne Sie wäre Aarau immer noch Tabellenletzter – einverstanden?
Wäre ich Tennisspieler, würde ich mich feiern lassen. Aber Fussball ist Mannschaftssport.
Werden Sie in Aarau von den Leuten auf der Strasse angesprochen?
Das kommt vor. Aber nicht nur in Aarau, auch in Freiburg!
In Freiburg?
Ich war mit Oli Jäckle (FCA-Mitspieler; d. Red.) in Freiburg beim Bundesliga-Spiel gegen Bremen. Wir standen vor dem Stadion im Stau, als es plötzlich an der Autoscheibe klopfte. Ich dachte erst «Scheisse, Polizei» und hab mein Handy weggeschmissen. Aber da stand ein Mann und sagte: «Ja Major, gibt’s denn so was? Was machst du denn hier. Und auch der Jäckle? Ich glaubs ja nicht!» Das war ein riesigier Aarau-Fan, der mit seiner Freundin immer zu den Freiburg-Spielen fährt.
Apropos: Warum nennen Sie alle auf Englisch «Major»?
Als ich 2007 zu Greuther Fürth ging, gab es einen Stefan und einen «Langen». Erst riefen sie mich «Majorhofer» und dann nur noch «Major».
Hat der österreichische Nationaltrainer Franco Foda Ihre Nummer?
Weiss ich nicht.
Wenn Sie weiter so treffen …
Ich bin Patriot, der Ehrgeiz für die Nationalmannschaft wird immer da sein. Wenn tatsächlich nochmals jemand vom Verband anruft, wäre es eine unglaubliche Geschichte. Ich bin nie zurückgetreten aus der Nationalmannschaft. Aber Marcel Koller hat mich 2009 plötzlich nicht mehr eingeladen.
Was war da los?
Obwohl ich verletzt war, wollte er, dass ich ins Trainingslager komme. Ich konnte wirklich nicht, meine Knie waren so kaputt. Da hat Koller gemeint: Okay, wenn du nicht kommst, kommst du nie mehr.
Was haben die Österreicher, was die Schweizer nicht haben?
(schweigt).
Sie sprachlos? Das gibt’s ja nicht …
Fiese Frage. Ich kann nur für mich reden: Meine Eltern haben mich gelehrt, das Herz auf der Zunge zu tragen und immer ehrlich zu sein. Das hat mir geholfen und geschadet, gerade bei Marcel Koller, weil ich ehrlich war und sagte, Urlaub tut mir besser als Training.
Was wollen Sie nach der Karriere tun?
Ich hab mir einige Geschäftsfelder als Botschafter und Produktvermarkter aufgebaut. Aber ich möchte hauptberuflich im Fussball bleiben. Eine Trainerkarriere ist das Ziel, mir fehlt noch die Uefa-Pro-Lizenz, dann kann ich in der Bundesliga anfangen (lacht). Der grosse Ernst Happel ist mein Vorbild. Er ist trotz Krebserkrankung auf der Bank gesessen, weil er einfach den Fussball geliebt hat. So wie ich.