Enttäuschte Fussballerinnen: Die Anerkennung lässt auf sich warten

Läuft alles wie geplant, soll der Ball in der Super League und Challenge League spätestens ab dem 20. Juni wieder rollen. Was für die Männer gilt, gilt jedoch nicht für die Frauen: Bereits Ende April teilte der Schweizerische Fussballverband (SFV) mit, dass die Saison 2019/20 in den Nationalligen A und B der Frauen wegen der Corona-Pandemie abgebrochen und nicht gewertet wird. Im gleichen Schreiben verkündete der SFV auch das Ende der Amateurfussball-Saison.

Dieser Entscheid stösst vor allem den betroffenen Spielerinnen sauer auf. «Im ersten Moment war die Enttäuschung riesig. Es wird immer davon gesprochen, den Frauenfussball zu fördern, und dann werden wir in den Breitensport abgestellt», sagt Melanie Müller. Die Mittelfeldspielerin des FC Luzern, die in Aarburg aufgewachsen ist, hat Mühe damit, dass der SFV auf höchster Liga-Ebene mit unterschiedlichen Ellen misst. «Dass bei den Männern alles unternommen wird, um die Saison zu Ende zu spielen und bei den Frauen nicht, ist kein Schritt nach vorne, sondern einer zurück», sagt sie.

In der Theorie stimmt es, nun muss die Praxis folgen
Das Vorgehen steht für  Melanie Müller im Widerspruch zur Ende Februar gegründeten «Abteilung Frauenfussball» beim SFV. Unter der Leitung von Tatjana Haenni sollen der Mädchen- und Frauenfussball und die Rolle der Frau im Schweizer Fussball professioneller gefördert und stärker positioniert werden. SFV-Zentralpräsident Dominique Blanc kommentierte den historischen Entscheid mit den Worten, «dass der SFV damit seine Absicht unterstreicht, dem Frauenfussball noch mehr Anerkennung zu geben». Auch deshalb ist die Enttäuschung über den Saisonabbruch bei Melanie Müller gross. «Die Gründung der Abteilung war ein guter Schritt», sagt die bald 24-Jährige, «es wäre aber schön gewesen, wenn man unsere Anliegen auch umgesetzt hätte.»

Dass es anders geht, beweist der Blick nach Deutschland, wo die Bundesliga am Freitag ihren Spielbetrieb wieder aufnimmt. Bis zum 28. Juni sollen die restlichen sechs Spieltage ausgetragen werden. «Auf uns hätte bei einer Fortsetzung der Saison auch eine strenge Zeit mit vielen englischen Wochen gewartet, aber wir betreiben den Sport aus Leidenschaft», sagt Melanie Müller und fügt überzeugt hinzu: «Jede Spielerin hätte diese Belastung gerne auf sich genommen.»

Immerhin dürfen die acht Schweizer NLA-Teams seit kurzem wieder Mannschafstrainings abhalten. «Aktuell geht es darum, wieder Rhythmus, Ballgefühl und Freude am Fussball zu gewinnen», sagt Melanie Müller. Das Coronavirus ist im Alltag nach wie vor präsent: So dürfen  die Garderoben nicht benützt werden, zudem hat jede FCL-Spielerin ein persönliches Überziehtrikot erhalten.

Trotz dieser Massnahmen ist Müller froh, wieder in der Gruppe auf dem Rasen trainieren zu können. «Zu Beginn des Lockdowns war ich sehr motiviert, individuell zu arbeiten. Mit der Zeit nahm die Begeisterung  ab, weil ich den Fussball immer stärker vermisst habe», erzählt sie. Den Wochenplan, den Müller von Trainer Glenn Meier jeweils am Sonntag erhalten hat, befolgte sie aber konsequent. «Mir war bewusst, dass ich etwas machen muss, sonst wäre der Rückstand bei Wiederbeginn gross gewesen», sagt Müller. Von der geforderten Eigendisziplin will sie auch in Zukunft profitieren können. «Ich habe gelernt, dass alles geht, wenn man will.»

Mit dem FC Luzern auf die internationale Bühne
Ohnehin habe sie seit ihrem Wechsel von den Young Boys zum FC Luzern im Sommer 2018 auf persönlicher Ebene Fortschritte erzielt. «Die Unterstützung von Verein und Trainer  sind gross. Mir läuft es recht gut hier», erzählt Melanie Müller, die mit dem Transfer nach Emmen gezogen ist. Das gilt auch in sportlicher Hinsicht: «Bis zum Abbruch ist es mir gut gelungen, konstante Leistungen zu zeigen. Da will ich dranbleiben», sagt Müller.

Auch mit der Mannschaft sieht die kaufmännische Angestellte noch Verbesserungspotenzial. Im Schweizer Cup strebt sie im dritten Anlauf den Sprung in die Viertelfinals an, in der Meisterschaft die Top zwei. «Dann könnten wir in der Champions League spielen», erklärt Melanie Müller.

Förderung des Frauenfussballs


Gemeinsam mit Gentiana Morina und Stephanie Erne, beides Spielerinnen des FC Luzern, hat Melanie Müller im vergangenen August den Verein «Florijana Ismaili – FI9» gegründet. Ismaili, Spielerin der Young Boys, kam im Juni 2019 im Alter von 24 Jahren bei einem tragischen Badeunfall ums Leben. «Im Namen unserer viel zu früh verstorbenen besten Freundin möchten wir den Frauenfussball in der Schweiz fördern und unterstützen, so wie dies Flori an vielen freiwilligen Anlässen auch getan hat», erklärt das Trio. Mehr Infos über den Verein gibt unter www.florijana.com.