
«Er hat es wilder getrieben»
Ich habe eine neue Lieblings-Rubrik in Tageszeitungen. Sie heisst ganz einfach «Auto». Das ist paradox. Schliesslich verfüge ich zwar über einen Führerschein, habe aber noch nie ein Auto besessen. Sehr wahrscheinlich werde ich auch nie eins besitzen. Ich wohne in einer Stadt und komme mit dem öV und dem Velo dort ziemlich gut zurecht. Hinzu kommt, dass ich aus ökologischen Gründen gerne darauf verzichte. Trotzdem oder gerade deswegen finde ich die Auto-Seite faszinierend. Sie bietet mir Einblick in eine fremde Welt. Sie räumt einem einzigen «Gegenstand» fast täglich eine Seite Platz ein. Und wird mit einer emotionalisierten Sprache beschrieben, die nahezu poetisch wirkt. Das klingt zum Beispiel so: «Dieses Säbelzahntigergesicht, diese provokanten Proportionen, diese Heckleuchten – einen cooleren Kombi gibt es derzeit nicht auf dem Markt», heisst es im Tagesanzeiger. Oder: «Er war der Erste seiner Art, und er hat es wilder getrieben als die vielen Konkurrenten, die ihm nachgeeifert haben.» Die Poesie von Auto-Artikeln hat auch der Autor Saša Stanišić entdeckt, der unter dem Hashtag #autobildlyrik auf Twitter schon diverse Ad-hoc-Gedichte verfasst hat.
Mit Spannung werde ich den Werdegang der Auto-Rubrik weiterverfolgen. Vielleicht gibt es auch schon bald eine E-Bike-Seite. Dann liest man vielleicht Sätze wie: «Hat man das störrische Cube Reaction Hybrid HPA Pro 500 erst mal gezähmt, galoppiert es sich frohgemut über Viertausender.»