
Er knetet lieber Muskeln statt Teig
Mit dem Cup-Spiel zwischen Aarau und Luzern ging im Stillen eine Ära zu Ende. Der Staffelbacher Masseur JeanPierre Frey zieht sich nach fast zehn Jahren vom «Spitzensport» zurück und eröffnet sein eigenes Geschäft.
Jean-Pierre Frey sitzt zusammen mit den Leuten von der FC-Aarau-Geschäftsstelle im kleinen Pausenraum im Brügglifeld. Die Kaffeemaschine surrt, man erzählt sich die letzten Neuigkeiten. Immer wieder werden Erinnerungen aus der Vergangenheit hervorgekramt; auch CupGeschichten machen die Runde: «Einmal haben wir einen riesigen Umweg gemacht», erinnert sich Masseur Jean-Pierre Frey. «Die Reise sollte von Aarau ins Wallis führen wo der Viertelfinalgegner FC Sion wartete. Der ‹Medical Staff› macht sich jeweils einige Stunden vor der Mannschaft auf den Weg und wir schafften es in Bern tatsächlich, Richtung Lausanne zu fahren.» Das bedeutete schon mal einen Umweg von einer Stunde, dazu kamen Feierabendstaus in Vevey und Martigny. «Im allerletzten Moment kamen wir in Sion an, ehe der Schiedsrichter die Partie wegen unbespielbaren Terrains absagte.»
Fliessende Übergänge
Frey schmunzelt, wenn er sich an diese Geschichten erinnert. Angestellt war er beim FC Aarau als Medizinischer Masseur. Gearbeitet hat er als «Mädchen für fast alles», wie er scherzt: Essen einkaufen, Reisen vorbereiten, Wäsche sortieren – «beim FC Aarau sind die Übergänge der Aufgabenaufteilung fliessend», bringt der Staffelbacher mit einem Augenzwinkern an. «Aber das ist ok so. Man erlebt sehr viel in der Fussballwelt. Als ich vor zehn Jahren – damals noch beim FC Luzern – im Fussballbusiness anfing, lernte ich nicht nur die Profis, sondern auch die menschliche Seite der Stars aus nächster Nähe kennen. Das können nicht viele von sich behaupten und damals ging für mich ein Bubentraum in Erfüllung.» Selber habe er zwar auch Fussball gespielt und dabei alle Juniorenabteilungen beim FC Aarau durchlaufen. «Mein Talent reichte dann aber doch nicht für höhere Aufgaben.»
Nach der Ausbildung zum Bäcker-Konditor arbeitete er anschliessend viele Jahre auf diesem Beruf. Im Laufe der Zeit bildete er sich zum Medizinischen Masseur weiter. «Dann kam der Zeitpunkt, anstatt Teig Muskeln zu kneten», sagt Frey und lacht. Dank zahlreichen Weiterbildungen wagte er schliesslich den Laufbahnwechsel und ist seither selbstständig im Bereich der Sportmassage tätig. Auch Rheumapatienten und Menschen mit chronischen Rückenschmerzen gehören zur Kundschaft in seiner Praxis in Staffelbach. «2009 wechselte ich zum FC Aarau und machte die Ab- und Aufstiege des Vereins mit. Eine sehr spannende Zeit, während der ich viele interessante Menschen kennenlernen durfte.»
Praxis im eigenen Haus
Mit dem Cup-Match gegen den FC Luzern ist das Kapitel «Spitzensport» für den 54- Jährigen vorderhand beendet. Er wird es nicht mehr aus nächster Nähe erleben, ob ein Sandro Burki nach dem harten Foul eines Luzerners buchstäblich wieder auf die Beine kommt – das ist die andere Seite seines bisherigen Berufs. Die Schicksale von verletzten Spielern laufen auch im Stillen ab, da wo die Medizinischen Masseure Hand anlegen. Natürlich werde er die Geschehnisse rund um den FC Aarau weiterhin beobachten. Und schon fällt Frey ein weiteres Erlebnis ein: «Einmal haben wir einen Testspieler bei einem Waldlauf verloren. Der Parcours war zwar gut ausgeschildert, aber dieser Testspieler kannte sich natürlich nicht aus, rannte trotzdem voraus und bog prompt falsch ab, während der Rest der Mannschaft den richtigen Weg wählte.»
Erst Stunden später sei er völlig aufgelöst zurückgekehrt, «einen Vertrag hat er – glaube ich – auch nicht bekommen». Die Emotionen nach dem Spiel gegen Luzern werden ihn noch ein Weilchen begleiten. «Der Abschied am Mittwoch – einfach grandios.» Nun will sich Jean-Pierre Frey voll auf seine selbstständige Tätigkeit als Medizinischer Masseur und Sporttherapeut konzentrieren und verlegt seinen Arbeitsplatz aus dem Keller des Aarauer Brügglifelds nach Staffelbach. «Ich werde mich daran gewöhnen, dass die Muskeln, die ich künftig knete, nicht mehr die von Spitzensportlern sind.»