
Eskalation wegen 300 Franken: Kosovarischer Familienvater wird ausgewiesen
Kushtrim* werde wütend, wenn er sein Geld nicht erhalte. Das gab sein Bruder Valon* vor dem Prozess vor Aargauer Obergericht zu Protokoll. Die beiden kosovarischen Brüder fuhren an einem kalten Montag Anfang Februar 2014 nach Rothrist. Kushtrim hatte noch eine Rechnung mit dem Besitzer der «Billard Lounge» offen. Es ging um 300 Franken.
Die Auseinandersetzung zwischen den drei Männern endete mit einem Messer in der linken Schulter des Barbesitzers. Valon hatte von hinten zugestochen. Zweimal. Die Brüder flüchteten, konnten dank einer Überwachungskamera aber überführt werden. Die Aargauer Richter sprachen Kushtrim und Valon unter anderem der schweren Körperverletzung schuldig.
Es war nicht Kushtrims erstes Vergehen. Mit 21 Jahren kam der heute Mittdreissiger aus dem Kosovo in die Schweiz. Dies, nachdem er eine Landsfrau mit Wohnsitz im Kanton Bern geheiratet hatte. Seine Frau brachte zwei gemeinsame Kinder zur Welt, ehe Kushtrim 2010 die Niederlassungsbewilligung erhielt. Im selben Jahr wurde er zum ersten Mal wegen Widerhandlung gegen das Waffengesetz verurteilt. Es folgten weitere Delikte: Wucher, Hehlerei, Beschimpfung. Kushtrims schwerste Strafttat – die blutige Auseinandersetzung in Rothrist, bei der er als Anführer und Initiator wirkte – brachte ihn dreieinhalb Jahre hinter Gitter.
2018 erhielt Kushtrim Post von den Berner Behörden. Das kantonale Amt für Migration und Personenstand widerrief seine Niederlassungsbewilligung und wies ihn mit einer Ausreisefrist aus der Schweiz weg. Dagegen wehrte sich der Kosovare zweimal vergeblich. Nun musste sich die höchste Schweizer Instanz, das Bundesgericht, mit Kushtrims Fall beschäftigen.
Weder willig noch fähig
In seiner Beschwerde argumentierte der Mann, der Widerruf verletze seinen Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Mittlerweile ist er Vater dreier in der Schweiz geborenen Kinder. Zudem sei der Vorfall in der «Billard Lounge» in Rothrist ein «einmaliges Fehlverhalten» gewesen.
Zu einem anderen Schluss kommt das Bundesgericht. Die Richter in Lausanne weisen darauf hin, dass auch Kushtrims zuvor begangenen Delikte keinen «Bagatellcharakter» hätten. Durch sein Verhalten habe er gezeigt, dass er nicht «willig oder fähig» sei, sich über eine längere Zeit an die Rechtsordnung zu halten. Im Gegenteil: Die Schwere der Straftaten habe über die Jahre sogar zugenommen.
Je schwerer die begangene Rechtsgutverletzung wiegt und je häufiger ein ausländischer Elternteil kriminell geworden ist, desto eher vermag das öffentliche Interesse an einer Ausreise des Straftäters zu überwiegen, heisst es im Urteil. In Kushtrims Fall überwiegt es selbst das sehr hoch gewichtete Interesse seiner Kinder, mit ihm in der Schweiz aufwachsen zu können.
Eine Rückkehr in sein Heimatland erscheint den Richtern zumutbar: Kushtrim habe den «überwiegenden und prägenden» Teil seines Lebens im Kosovo verbracht. Zudem sei er mit einer Landsfrau verheiratet und habe sich in der Schweiz «höchstens teilweise integrieren können». Er mache regelmässig Ferien in seiner Heimat, wo er auch Wohneigentum besitze und noch Angehörige und Bekannte habe. Das Bundesgericht stimmt der Vorinstanz zu, dass sich Kushtrim darüber hinaus auch beruflich-wirtschaftlich im Kosovo wieder eingliedern könne.
«Mit seinem Verhalten hat er den Fortbestand seines Familienlebens in der Schweiz selbstverschuldet und mutwillig aufs Spiel gesetzt», schreibt das Bundesgericht. Die Beschwerde wird abgewiesen. Kushtrim muss die Gerichtskosten von 2000 Franken berappen. Und die Schweiz verlassen.
*Namen geändert
Bundesgerichtsurteil 2C_773/2019 vom 5. Dezember 2019