
Ex-Bobpilot Rico Peter gibt Südkoreas Athleten die Richtung vor
«Nein, ich vermisse den Platz hinter den Lenkseilen überhaupt nicht», sagt Rico Peter und ergänzt lachend: «Höchstens dann ein bisschen, wenn sie am Fahren sind.» Gemeint sind Yunjong Won und Youngjin Suk. Die beiden Piloten aus Südkorea sind mitunter verantwortlich dafür, dass Rico Peter auch über ein halbes Jahr nach seinem Rücktritt vom aktiven Spitzensport weiterhin im Bob-Weltcupzirkus anzutreffen ist.
Nachdem der 35-jährige Kölliker die Öffentlichkeit über sein Vorgehen informiert hatte, trat wenig später der südkoreanische Bobverband an ihn heran und fragte, ob er dessen Athletinnen und Athleten in der Weltcupsaison 2018/19 als Bahntrainer begleiten möchte. «Das war ein interessantes Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Ich hatte mit Südkoreas Athleten stets ein tolles Verhältnis», begründet Peter seine Zusage, die er seither trotz Zuschauerrolle nicht bereut hat. «Der Entscheid passt für mich», sagt er.
In seiner neuen Funktion bespricht Rico Peter vor dem ersten Training am jeweiligen Weltcup-Ort die Ziele mit seinen Athleten und wie sie die verschiedenen Kurven anfahren müssen, um die Ideallinie zu erwischen. Am Abend folgt eine Videoanalyse, die pro Pilot schnell eine Stunde dauern kann. «Ich erhalte von einem Helfer das geschnittene Videomaterial und gehe mit den Fahrern jede Kurve einzeln durch», sagt Peter.
Zusätzlich kümmert sich der Aargauer um organisatorische Angelegenheiten sprich definitive Reservationen von Krafträumen, Hotelzimmern oder Sprint-Trainingsplätzen. «Der Verband hat alles bereits vor der Saison gebucht, ich mache vor Ort nur noch die Feinabstimmung», erzählt Peter. Das führt dazu, dass er im Gegensatz zu seiner Zeit als aktiver Sportler am Rennort mehr Arbeit am Hut hat. «Als Athlet konnte ich mich nach meinen Einsätzen zurückziehen. Dafür habe ich jetzt mehr Freizeit für mich, wenn ich zuhause bin, weil ich nicht trainieren oder Sponsorentermine erledigen muss», sagt Peter.
Fortschritte erzielt
Nach fünf von acht Weltcup-Events kann Rico Peter mit gutem Gewissen sagen, dass seine Arbeit Früchte trägt. Vor allem im Viererbob habe Yunjong Won, notabene Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Winterspielen im vergangenen Februar in Pyeongchang (SKor), Fortschritte erzielt. «Als ‹Liebhaber› des grossen Schlittens freut mich das natürlich besonders», sagt Peter schmunzelnd. Weil im Vierer der Respekt vor der rasanten Fahrt im Eiskanal grösser sei, steuere man automatisch mehr.
Die Krux: «Jede Bewegung an den Seilen hat eine Bremswirkung zur Folge», erklärt Peter, der als Pilot im Vierer einen Weltcupsieg feiern sowie WM-Bronze gewinnen konnte. Seine Tipps scheinen bei Südkoreas Bob-Nummer eins anzukommen. «Mittlerweile traut sich Won, den Bob laufen zu lassen. Er versucht aber noch zu oft, die Linie krampfhaft zu halten», sagt Peter über seinen Schützling.
Hoffen auf WM-Medaille
Auf den grossen Wurf wartet man im südkoreanischen Boblager allerdings noch. Yunjong Wons Plätze neun (Zweier) und sechs (Vierer) waren bisher das höchste der Gefühle. Das soll sich idealerweise am Wochenende in St. Moritz, spätestens aber bei den abschliessenden Weltcuprennen in Lake Placid (USA) und Calgary (Ka) ändern. Schliesslich hofft Rico Peter, dass Yunjong Won bei den Weltmeisterschaften Anfang März in Whistler (Ka) vorne mitfährt. «In den nächsten Rennen wollen wir mit beiden Schlitten mindestens in die Top acht fahren, um für die WM-Startnummer eine gute Ausgangslage zu erhalten», sagt Peter.
Zwei Punkte stimmen ihn zuversichtlich: Erstens fährt Yunjong Won in Übersee stärker, weil er in diesen Eiskanälen mehr Trainingsfahrten absolviert hat als in jenen auf europäischem Boden. Zweitens kehrt mit Youngwoo Seo der kräftigste südkoreanische Anschieber nach überstandener Bandscheiben-Operation zurück. «Das dürfte uns am Start nochmals einen Schub geben. Wenn wir da einen Schritt machen können, fahren wir um die Medaillen mit», ist Peter überzeugt.
Ob der Kölliker auch nächste Saison versuchen wird, Südkoreas Bobpiloten die schnellste Linie zu vermitteln, ist offen. Nach der Saison stehen Gespräche mit dem Verband an. «Ich habe aber auch zwei, drei andere Optionen», verrät Rico Peter. Die Chancen stehen also gut, dass er auch im nächsten Winter in der Zuschauerrolle neben dem Eiskanal anzutreffen sein wird.