Exodus aus dem FC-Aarau-Lazarett

2017 wurde Sandro Burki über Nacht vom Captain zum Sportchef des FC Aarau. Obwohl es sportlich damals alles andere als rund lief, war seine erste Neuverpflichtung kein Spieler, sondern ein neuer Mannschaftsarzt. Henning Ott von der Altius Klinik in Rheinfelden, den Burki zu Spielerzeiten kennen und schätzen gelernt hat. Ott ist mittlerweile in seine Heimat Deutschland zurückgekehrt, die Altius indes ist weiterhin die ­erste Anlaufstelle für gröber verletzte FCA-Spieler.

Mit dem Zentrum für Sportmedizin arbeiten unter anderen Schweizer Meister YB und Klubs aus der Bundesliga zusammen – ein Beleg dafür, wie gut und ­modern die Mannschaft des FC Aarau medizinisch betreut wird. Ebenso erhalten Spieler, die eine physiotherapeutische Behandlung benötigen, diese im «Med&Motion» im Aarauer Torfeld Nord. Im Brügglifeld sind zudem mit Assistenz- und Athletiktrainer Norbert Fischer, den Physios Phil Tiernan und Fabian Strütt sowie Osteopath Dirk Wüst Fachkräfte im Training und am Spielalltag vor Ort, um die der FC Aarau schweizweit beneidet wird.

Das ist vor allem ein Verdienst von Sportchef Burki, der bei Amtsantritt den Aufholbedarf in diesem Bereich erkannt hat. «So wie es gute und weniger gute Spieler gibt, gibt es für uns besser und weniger geeignetes medizinisches Personal. Unser Anspruch ist es, im Rahmen der Möglichkeiten die besten Leute zu haben», sagt Burki.

Im Gegensatz zu früher erhalten die Profis individuelle, auf ihre Bedürfnisse und Schwächen angepasste Trainingspläne. Viel Gewicht haben dabei präventive Übungen und die technische Überwachung der körperlichen Belastung. Gemäss Burki können so nicht nur muskuläre Verletzungen verhindert werden, auch das Risiko für Kreuzbandrisse, die eine monatelange Ausfalldauer zur Folge haben, verringert sich.

Besser als Spitzenklubs in den Topligen

Die Ausgaben für den Betreuerstab sind in den vergangenen vier Jahren deutlich gestiegen, im Gegenzug sind durch die neue Transferstrategie (Potenzial statt Prominenz) die Spielerlöhne gesunken. So langsam aber sicher trägt der Wandel Früchte: In einer Studie zur ­Saison 2020/21, in der die Ausfalldauer von Fussballern pro 1000 Arbeitsstunden verglichen wurde, schneidet der FC Aarau besser ab als Spitzenvereine aus den europäischen Topligen, die sich Betreuerstäbe so gross wie Spielerkader leisten. Aktuell ist einzig Arijan Qollaku aus gesundheitlichen Gründen nicht einsatzfähig, der Verteidiger steht nach seiner im vergangenen Oktober erlittenen Knieverletzung jedoch kurz vor der Rückkehr ins Teamtraining.

Sinnbildlich für die Entwicklung steht Olivier Jäckle: Wegen muskulären Problemen und ­unerkannten Problemen im Bewegungsapparat musste er jahrelang immer wieder pausieren. In der vergangenen Saison verpasste Jäckle nur drei Partien – nicht verletzt, sondern gesperrt. Zur Erinnerung: In der Saison 2017/18 fiel neben Jäckle 21 (!) Mal ein Spieler mindestens drei Wochen aus.

Nicht mehr jedes «Boboli» wird angemeldet

Das aktuell leere Lazarett ist zwar eine Momentaufnahme, auch beim FC Aarau werden sich wieder Spieler verletzen. Trotzdem: Die erfreuliche Entwicklung ist alles andere als Zufall. Und sie wird mittel- bis langfristig, wenn die Verletzungsrate tief bleibt, auch die Klubkasse entlasten.

Hintergrund: Der FC Aarau zahlt – wie schon 2020 – in ­diesem Jahr knapp eine Million Franken Prämien an seine Unfallversicherung; 2018 waren es noch 188000 Franken. Die ­Kostenexplosion ist eine Folge der Verletzungsflut in der Saison 2017/18, die UVG-Prämien belasten aktuell rund einen Sechstel des Gesamtbudgets. Und das, obwohl die beanspruchten Versicherungsleistungen in einem krassen Missverhältnis stehen zu den Prämien – der FCA zahlt also die Zeche für die Vergangenheit.

Neben der Aufrüstung der medizinischen Abteilung gab es auch eine Korrektur in der Abrechnungskultur – sprich: Nicht mehr jedes «Boboli» wird bei der Versicherung angemeldet. Dies und der Verweis auf die ­sinkende Verletzungsrate, zumindest hoffen das die FCA-Verantwortlichen, sind gute Argumente für eine Senkung der UVG-Prämien –  die Verhandlungen für 2022 beginnen im Herbst.

Fanszene kehrt ins Brügglifeld zurück

Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie sind die Hardcore-Fans heute wieder geschlossen im Brügglifeld. Mit der lautstarken Unterstützung seiner Anhänger hofft der FCA auf den ersten Heimsieg überhaupt gegen Stade Lausanne-Ouchy (bis dato zwei Remis und zwei Niederlagen).  In der Tabelle liegen die Romands einen Zähler vor Aarau.