
Fall «Carlos»: Dieses Urteil ist eine Verzweiflungstat
Es wäre krass gewesen, wenn das Bezirksgericht Dielsdorf den Serienstraftäter Brian K. alias Carlos tatsächlich verwahrt hätte. Diese Formulierung ist nicht etwa einem Jugendlichen entliehen, sondern dem Staatsanwalt, der eine ordentliche Verwahrung gefordert hatte.
In seinem Plädoyer sagte er, einen 24-Jährigen für unbestimmte Zeit wegzusperren, wäre krass, aber in diesem Fall nötig. Für den Staatsanwalt hat sich der Auftritt gelohnt. Er gilt nun als krasser Strafverfolger.
Das Gericht hat eine andere Rolle. Es hat auf einen krassen Fall keine krasse Antwort zu suchen, sondern eine juristisch gerechte. Die Suche war schwierig. Für diesen Extremfall bietet das Strafgesetzbuch kein Rezept.
An der Grenze des Ermessens – oder darüber hinaus?
Die Richter sind nun an die äusserste Grenze ihres Ermessensspielraums gegangen und haben neben der Freiheitsstrafe eine «kleine Verwahrung» ausgesprochen. Das bedeutet, dass sich der Täter im Gefängnis einer Therapie unterziehen muss. Der renitente Thaiboxer will dies aber nicht, weshalb die Erfolgschancen verschwindend klein sind. Unter diesen Umständen ist die Massnahme vom Gesetz eigentlich nicht vorgesehen.
Dass das Gericht die Massnahme dennoch verfügt hat, ist eine Verzweiflungstat. Es will alles Mögliche – und vielleicht ein bisschen mehr – versuchen, um das Sorgenkind auf den richtigen Weg zu bringen.
Gleichzeitig lässt es mit der kleinen Verwahrung eine Hintertüre offen. Falls sie scheitert, was anzunehmen ist, kann sie von den Behörden in eine ordentliche Verwahrung umgewandelt werden. Das Urteil ist somit krasser, als es auf den ersten Blick erscheint.