
Falsche Machtverhältnisse im Aarauer Brügglifeld
Was haben Schaffhausen, Chiasso, Winterthur, Vaduz, Lausanne-Sport und Stade Lausanne-Ouchy gemeinsam? Alle waren seit dem 21. September 2019 zu Gast im Brügglifeld und haben dort nicht verloren. Ja, seit 140 Tagen hat der FC Aarau kein Heimspiel mehr gewonnen. Passend dazu: Voriges Wochenende gegen Schaffhausen (1:2) betrug die Zuschauerzahl nur noch 2561 und somit Saison-Minusrekord.
Der Blick zurück zeigt, dass in den vergangenen zehn Jahren die Zuschauer im Brügglifeld erst zwei Mal so lange auf einen Heimerfolg warten mussten: In der Saison 2010/11, der ersten in der Challenge League nach 29 Jahren in der obersten Spielklasse, schaffte Aarau ebenfalls in sechs Heimspielen hintereinander keinen Sieg. Und in der Saison 2014/15, als der FCA im Brügglifeld gar zehn Mal in Folge sieglos blieb – damals jedoch als klarer Aussenseiter in der Super League. Pikant: Beide Male überlebten die Trainer die Durststrecke vor eigenem Anhang nicht – Ranko Jakovljevic (10/11) und Sven Christ (14/15) wurden mitunter wegen der Heimschwäche entlassen.
Kein Qualitäts-, sondern ein Kopfproblem
Dieses Schicksal hat der aktuelle FCA-Trainer Patrick Rahmen nicht zu befürchten. Auch dann nicht, wenn er am Sonntag gegen Vaduz zum siebten Mal in Folge keinen Heimsieg schaffen sollte. Zwischen Rahmen und Sportchef Sandro Burki passt kein Blatt Papier, dazu hat Bald-Präsident Philipp Bonorand im vergangenen Sommer sein Okay für die Vertragsverlängerung mit Rahmen bis 2021 gegeben. Und das Ende Saison scheidende Führungsduo Alfred Schmid/Roger Geissberger wird in den letzten Monaten seiner Amtszeit das Trainerfass nicht mehr öffnen, solange der FCA der Abstiegszone fernbleibt.
Rahmen, der in der vergangenen Saison bewiesen hat, dass er den Karren aus dem Dreck ziehen kann, sitzt also sicher im Sattel. Trotzdem stört ihn die Heimbilanz, er nimmt sich auch selber in die Pflicht: «Den Status, dass die Gegner mit zittrigen Knien nach Aarau kommen, haben wir in dieser Saison nicht. Wir wollen und müssen im Brügglifeld die Machtverhältnisse wieder zurecht rücken. Meine Aufgabe ist es, die Mannschaft so einzustellen, dass sie mit der nötigen Sicherheit auf den Platz geht.» Und weiter: «Ich kann keinem Spieler vorwerfen, dass er zu wenig Gas gibt. Am Willen fehlt es auf keinen Fall. Unser Problem sind die Eigenfehler, mit denen wir uns immer wieder selber um den Lohn bringen.»
Dass er das Zeug dazu hat, abgesehen von Tabellenführer Lausanne-Sport jeden Gegner zu besiegen, hat der FC Aarau in der Vorrunde bewiesen. Entsprechend ortet Rahmen den Lösungsansatz in den Köpfen der Spieler: «Es ist Teil unseres Jobs, Rückschläge zu akzeptieren, obwohl man diese nicht immer verdient hat. Wir dürfen nicht jammern, sondern müssen unser Schicksal selber in die Hand nehmen.»
Neue Reizpunkte im Heimspiel gegen Vaduz
Als Zeichen, dass die Saison keinesfalls hergeschenkt wird, hat Rahmen in dieser Woche den freien Tag gestrichen. Er sagt: «Auch wenn momentan der Abstand nach vorne und nach hinten gross ist: Es sind noch 16 Spieltage zu absolvieren, ein Nachlassen akzeptiere ich nicht. Wir sind es den Fans, den Sponsoren und nicht zuletzt Alfred Schmid und Roger Geissberger schuldig, weiterhin Vollgas zu geben.» Kommt dazu: Sechs Spieler haben auslaufende Verträge, sie spielen in den nächsten Monaten auch um ihre persönliche Zukunft.
Zurück zur Sieglos-Serie im Brügglifeld: Sie hat zur Folge, dass der FC Aarau nach 20 Spieltagen in der Heimtabelle auf Rang 7 liegt. Eine Momentaufnahme, es bleiben acht Spiele, sich zu verbessern. Die bisherigen sieben Challenge-League-Saisons seit 2010 beendete der FCA alle in der oberen Hälfte der Heimtabelle.
Vielleicht könnte eine Überraschung helfen, den lang ersehnten vierten Heimsieg der Saison zu holen. Gemeint ist: Eine Systemumstellung, neues Personal oder Positionswechsel einzelner Spieler. Fakt ist: Mit Vaduz ist am Sonntag das Team der Stunde zu Gast im Brügglifeld. Um die Liechtensteiner in Bedrängnis zu bringen, braucht es einen besonderen Effort. Rahmen lässt sich nicht in die Karten blicken, deutet indirekt aber Veränderungen an: «Ich habe mir nach dem Schaffhausen-Spiel Gedanken darüber gemacht, wo und wie wir neue Reizpunkte setzen können.»