
«Falsche Massnahme» oder «höchste Zeit»? Höherer Prämienabzug und tiefere Firmensteuer nehmen erste Hürde
Geht es nach SVP/EDU, FDP und Die Mitte als den «Vätern» der aktuellen Steuervorlage, sollen die Steuern für Firmen im Aargau schon ab 2022 sinken, und zwar etappenweise von bisher 18,6 auf 15,1 Prozent. Überdies sollen natürliche Personen in der Steuererklärung einen um 50 Prozent höheren Pauschalabzug geltend machen können. Das kam aus den Voten der Sprecher dieser Fraktionen bei der gestrigen ersten Beratung der jüngsten Steuervorlage einmal mehr klar hervor.
Bürgerliche Mehrheit will die Vorlage

Andreas Meier (Die Mitte).
Mit dem höheren Pauschalabzug entlaste man natürliche Personen, zumal man seit 2001 keine Anpassung vorgenommen habe, argumentierte Andreas Meier (Die Mitte). Er sagt:
«Auch bei der Unternehmenssteuer besteht Handlungsbedarf. Aktuell haben nur noch zwei Kantone einen höheren Tarif.»
Man wolle Firmen hier behalten, dafür sei eine Reduktion ein Muss.
Ins selbe Horn stiess für die FDP Silvan Hilfiker. Man müsse jetzt handeln, der Aargau sei inzwischen beim Gewinnsteuertarif an drittletzter Stelle. Die Vorlage sei ausgewogen, da Unternehmen und alle Menschen im Kanton profitierten. Die SVP unterstütze grundsätzlich die vorgeschlagenen Änderungen, sagte Andy Steinacher. Dringlichkeit sei gegeben.

Andy Steinacher (SVP)
Die SVP unterstütze die Senkung auf 15,1 Prozent. Denn der Aargau sei der klare Verlierer der letzten Steuerrevision gewesen. Bei den Prämienabzügen sei es höchste Zeit. Auch hier würde man sich mehr wünschen.
Den Befürwortern schloss sich die GLP an. Man unterstütze beide Teile der Vorlage, sagte Dominik Gresch. Eine zeitlich gestaffelte Steuersenkung für Firmen sei jedoch zwingend. Wie lange man den Gemeinden einen Teil ihrer Mindereinnahmen ausgleichen soll, dazu brauche es eine vertiefte Abklärung, forderte Gresch.
Grüne stellen einen Nichteintretensantrag

Mirjam Kosch (Grüne)
Ganz anders tönte es bei SP, Grünen und EVP. Mirjam Kosch (Grüne) beantragte, auf die Vorlage gar nicht einzutreten. Sie begründet:
«Es ist die falsche Massnahme zum denkbar falschesten Zeitpunkt.»
Der Staat brauche seine Mittel, um seine Aufgaben zu erfüllen. Die G7 hätten sich eben auf eine Mindeststeuer von 15 Prozent geeinigt. Solange die internationalen Vorhaben nicht klar seien, mache es ohnehin keinen Sinn, schon zu entscheiden, sagte sie. Zudem sollen diejenigen die Corona-Rettungspakete finanzieren, die von ihnen profitiert haben.
Ein Nein kam namens der SP auch von Arsène Perroud. Vor zwei Jahren sei die letzte Steuerreform (SV 17) als Lösung angepriesen worden, blickte er zurück. Tarifsenkungen über mehrere Prozent für Firmen seien derzeit nicht möglich, habe der Aargauer Finanzdirektor damals gesagt. Offenbar gelte das alles nichts mehr, kritisierte Perroud. Die Revision sei vollkommen übereilt und unreflektiert. Perroud hofft, dass die G7 den «unseligen Steuerwettbewerb» endlich beende. Die SP lehnt die Vorlage auch ab, weil sie nicht sieht, wie die Regierung die dynamischen Effekte, also mittelfristig neue Einnahmen dank Steuersenkung, begründet. Statt höheren Prämienabzügen würde die SP die Prämienverbilligungen aufstocken.

Urs Plüss (EVP)
Für die EVP sagte Urs Plüss, der Mittelstand komme am Ende fast immer unter die Räder. Das werde wohl auch hier so sein. Vermutlich werde man dann dafür die Gebühren oder die Steuern für natürliche Personen erhöhen oder die Staatsleistungen abbauen, befürchtet er. Mit der Firmensteuersenkung werde leichtfertig die kantonale Finanzlage gefährdet, so Plüss.
Nichteintretensantrag und Antrag auf Zweiteilung scheitern
Der Nichteintretensantrag der Grünen scheiterte jedoch schliesslich mit 88 zu 44 Stimmen. Auch ein Antrag der EVP, die Vorlage zweizuteilen, damit der Souverän im Fall einer Volks- abstimmung seinen Willen eindeutig bekunden könne, wurde abgelehnt. Die bürgerliche Mehrheit argumentierte, beides gehöre zusammen, damit würden Firmen und Privatpersonen entlastet. Man solle diese nicht gegeneinander ausspielen.
Gemeinden erwarten massive Zugeständnisse
Die Gemeinden erwarten massive Zugeständnisse, sagte Patrick Gosteli, (SVP) als neuer Präsident der Gemeindeammänner-Vereinigung (GAV). Man sei grundsätzlich für die Revision, doch der Zeitpunkt sei falsch. Verschiedene andere Bereiche belasteten die Gemeinden massiv, etwa steigende Pflegerestkosten. Die Vereinigung erwartet laut Gosteli eine aussagekräftige Gesamtschau für die zweite Beratung. In der Hoffnung auf eine markante finanzielle Entlastung werde man dann eine Zustimmung prüfen. In der jetzigen Form würde die Gemeinden die Vorlage bekämpfen.
Prüfungsaufträge an Regierung überwiesen
Der Rat überwies der Regierung schliesslich mehrere Prüfungsanträge. So muss diese für die zweite Beratung im Herbst beispielsweise genau ausrechnen, was die Senkungspläne für jede einzelne Gemeinde im Detail bedeuten und ob man ihre Ausfälle bei den Firmensteuern solange kompensieren soll, bis die von der Regierung erwarteten dynamischen Effekte eintreffen. Die Regierung dürfte die Botschaft für die zweite Beratung wohl schon im August vorlegen. Die Zeit drängt, weil die Vorlage nach dem Willen der Mehrheit im Rat schon Anfang 2022 in Kraft treten soll.