
Fast wie in der Kirche
Samstagabend, zurück aus einer Ferienwoche in Italien. Oh nein! Die Wahlcouverts! Sie liegen noch da! Vergessen einzuschmeissen.
Wie peinlich. Habe ich nicht vor Wochenfrist in einem Kommentar geschrieben, wie wichtig Wählen ist? Und jetzt liegen unsere eigenen Wahlcouverts noch auf dem Küchentisch rum! Geht gar nicht.
Tags darauf, nach dem Gang ins Wahllokal, erweist sich die Vergesslichkeit als kleiner Glücksfall. Das Einschmeissen der Stimm- und Wahlcouverts in einen anonymen Briefkasten ist eine völlig emotionslose Angelegenheit. Demokratie auf Effizienz getrimmt quasi. Bequem, aber ohne jeden Erlebnischarakter.
Der Gang zum Wahllokal dagegen ist ein schönes Ritual. Vor dem Eingang diskutieren Menschen angeregt. Drinnen begrüssen die Mitglieder des Wahlbüros jeden einzelnen Wähler freundlich. Dass die Liste einen Stempel bekommt, hatte ich schon vergessen – mein letzter sonntäglicher Urnengang ist eine Ewigkeit her. An der Urne sitzt ein Mann, der mit seiner Hand den Schlitz bewacht und diesen nur freigibt, wenn jemand davorsteht, um die Wahlzettel abzugeben – das Ganze erinnert mich ein bisschen an die Kommunion in der Kirche.
Das nächste Mal vergesse ich die Stimm- oder Wahlzettel absichtlich. Nie erfährt man Demokratie schöner als an einem Sonntagmorgen in einem eidgenössischen Wahllokal.