
FC Aarau: Ein Charakterwandel mit Folgen
Wer an diesem 2. Dezember trotz Wind und Regen das Brügglifeld dem gemütlichen Sofa vorzieht, der macht alles richtig. Zauberfussball und kernige Grätschen, Traumtore und Slapstick, ein emotionales Auf und Ab – das Spiel zwischen Aarau und Lausanne beinhaltet alles, was das Fanherz begehrt.
Nach 94 Minuten Spektakel steht Aarau-Trainer Patrick Rahmen im Tribünenbauch und sagt: «Spielerisch wären wir gerne so weit wie Lausanne. Dafür hatten wir die besseren Chancen und mehr Herz.» Eine kurze, sachliche Analyse, die das Gebotene perfekt zusammenfasst.
Die Waadtländer, angereist mit dem teuersten Kader der Liga (12 Millionen Franken), sind eine Klasse besser als die Gegner, gegen die Aarau zuletzt vier Siege aneinanderreihte (Wil, Chiasso, Rapperswil, Schaffhausen). Doch Rahmens Spieler demonstrieren, warum man sie vor der Saison als drittstärkste Kraft der Challenge League mit Potenzial für mehr bezeichnet hat. Und vor allem zeigen sie ein komplett anderes Gesicht als im Sommer: Damals hatten Rückschläge in Form von Gegentoren oder vergebenen Chancen den Zerfall der Mannschaft in ihre Einzelteile zur Folge. Doch seit einigen Wochen ist dem Hinterletzten klar, dass man auch in der zweithöchsten Spielklasse für Erfolg kämpfen muss.
Der Charakterwandel hat Folgen: Wer denkt, das 2:1 für Lausanne nach einem dämlichen Ballverlust durch Almeida (75.) habe das Heimteam erledigt, liegt falsch: Mit einem Energieanfall am linken Flügel und der punktgenauen Vorlage auf Karanovic erzwingt Schneuwly in der 83. Minute den Ausgleich. Plötzlich glaubt das Heimteam mit den tobenden Fans im Rücken wieder an den Sieg. Und weil auch Lausanne die drei Punkte erzwingen will, wird die Schlussphase zur Abnützungsschlacht, die viele Nerven kostet, aber keine Tore mehr bringt.
Nganga bändigt Maierhofer
Auf beiden Seiten wissen die Akteure nach dem Schlusspfiff nicht so recht, wohin mit ihren Gefühlen. Die Gäste ärgern sich über den Pfostenschuss von Kukuruzovic (39.) und den späten Ausgleichstreffer. Aber sie sind froh, die aufstrebenden Aarauer in der Tabelle auf Distanz zu halten.
Der eine (Almeida) verschuldet das 1:2, der andere (Karanovic) korrigiert das Missgeschick mit dem 2:2 – die Bilanz der Einwechselspieler passt zur Gefühlswelt der Aarauer. «Wir haben uns vorgenommen, sechs Punkte an Lausanne heranzukommen», sagt Rahmen. Mit mehr Effizienz im Torabschluss wäre dies auch möglich gewesen – in der ersten Halbzeit vergeben Schneuwly und Misic beste Chancen, nur Tasar trifft nach herrlicher Vorarbeit von Maierhofer und Giger (32.). Doch das Comeback nach dem scheinbaren Lucky-Punch und die Erkenntnis, das hinter Servette stärkste Team der Liga an den Rand einer Niederlage gebracht zu haben, führt Rahmen zum Fazit: «Ich bin zufrieden mit unserer Leistung und dem Charakter meiner Spieler.»
Aus dem Aarauer Kollektiv stechen die Verteidiger Giger, Leo und Obexer sowie Mittelfeld-Patron Zverotic heraus. Alles Fussballarbeiter und keine Künstler, was offenbart, worum es auf dem matschigen Rasen im Brügglifeld geht. Auch Stefan Maierhofer ist ein Mann fürs Grobe, doch nach sieben Toren in Folge hat der «Major» gegen Lausanne im Ex-Aarauer Igor Nganga einen Gegenspieler auf Augenhöhe.
Was bringt die Rückrunde?
«Endspiel um die Barrage» hat die «AZ» im Vorfeld getitelt. Der Traum von der Rückkehr des FC Aarau ins Aufstiegsrennen ist nach dem Remis gegen Lausanne vorerst geplatzt. Es kommt auf die Ausbeute aus den verbleibenden Partien vor der Winterpause gegen Vaduz und Kriens an, ob die Spieler den FCA-Fans doch noch eine Rückrunde mit sportlicher Brisanz unter den Weihnachtsbaum legen.