
FCA-Präsident Schmid: «Das ist für mich unerklärlich»
Es sollte die Saison der Auferstehung werden. Mit attraktivem und erfolgreichem Fussball sollte eine positive Grundstimmung im Hinblick auf die Stadion-Abstimmung erzeugt werden. Doch die Realität sieht düster aus: Der FC Aarau steht nach sechs Spielen mit null Punkten am Tabellenende der Challenge League.
Alfred Schmid (63), der im Mai nach zwölf Jahren als Präsident zurücktreten wird, empfängt uns in seiner Firma WD comtec in Schönenwerd zum Interview. Neben ihm sitzt Sohn Fabian. Das überrascht. Oder wird Fabian nicht nur im Geschäft, sondern auch beim FC Aarau in die Fussstapfen seines Vaters treten? «Nein», sagt Fabian. «Ich bin erst 28. Dieses Amt bedingt gewisse Erfahrungen und Kompetenzen. Ausserdem sollte man einen Leistungsausweis aus verschiedenen Gremien vorweisen können. Mein Engagement gilt die kommenden Jahre voll und ganz der WD comtec und deren Tochterfirmen.»
Alfred Schmid, vor der Saison sagten Sie, «wir werden nun die Reserven anzapfen, um die Mannschaft zu verbessern. Wir wollen Hochkaräter holen, die uns sofort helfen können.» Fühlen Sie sich angesichts der sportlichen Misere veräppelt?
Alfred Schmid: Stimmt, das habe ich gesagt. Und ich denke, es wurde umgesetzt, was ich angekündigt habe. Auch Experten bescheinigten, dass uns gute Transfers gelungen sind und der Staff gut zusammengestellt ist.
Die Realität aber besagt: Sechs Spiele, null Punkte.
Vielleicht haben einige der neuen Spieler die Challenge League unterschätzt. Weiter stieg die Erwartungshaltung durch die sehr erfolgreiche Vorbereitungsphase und die bestätigenden Medienberichte enorm und formte ein starkes Selbstvertrauen im Team. Umso schwieriger ist nun die mentale Verarbeitung der Tatsachen.
Wer ist verantwortlich für die aktuelle Krise?
Alle involvierten Personen – auch ich. An dieser Stelle ein Kompliment an unsere Fans, die in vielen Situationen der Mannschaft trotz schlechter Leistung Rückhalt vermittelten.
Unfassbar, dass der FC Aarau ausgerechnet mit der teuersten Mannschaft, die er je in der Challenge League hatte, so tief gefallen ist.
Ob es tatsächlich die teuerste Mannschaft ist, kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, sondern erst am Saisonende.
Haben nicht nur die Neuzuzüge die Challenge League unterschätzt, sondern der FC Aarau die vermeintlichen Hochkaräter überschätzt?
Im Nachhinein ist man immer schlauer. Mit wem ich auch rede: Es herrscht Unfassbarkeit darüber – selbst in Expertenkreisen –, dass wir mit dieser Mannschaft am Tabellenende stehen.
Wie begründen Sie das?
Wir waren sicher nicht immer vom Glück begünstigt. Ausserdem konnte die Mannschaft kaum je die Leistung abrufen, die wir von ihr erwarten. Und wie gesagt belastet die Mannschaft und den Staff die Wechselwirkung zwischen Erwartungshaltung aus der erfolgreichen Vorbereitungsphase und dem überraschenden Misserfolg. Es braucht nun mentale Stärke und Rückhalt.
Super-League-Spieler kommen nicht wegen des Stadions nach Aarau. Sie kommen, weil sie hier anständig verdienen. Aber vom Selbstverständnis fühlen sie sich für Höheres berufen. Können solche Spieler überhaupt so etwas wie Leidenschaft, Enthusiasmus oder Verbundenheit entwickeln?
Bei Vertragsverhandlungen wird uns jeweils Herzblut versprochen. Aber sicher spielt auch in den Überlegungen der Spieler eine Rolle, dass der FC Aarau gut geführt, ein verlässlicher Arbeitgeber ist, der die Löhne pünktlich überweist. Mir ist schon klar, dass ein Spieler aus der Super League nicht sofort enthusiastisch reagiert, wenn es nur noch für die Challenge League reicht. Aber es war bislang nicht eine einzige Katastrophe. Das erste Spiel gegen Servette war richtig gut. Leider haben wir diese Partie unglücklich verloren.
Einverstanden. Aber es kann nicht sein, dass eine Niederlage den Klub – überspitzt formuliert – in seine Einzelteile pulverisiert.
Das ist für mich auch unerklärlich. Ich will auch nicht die Ausfälle von Jäckle, Schneuwly, Rossini und teilweise Peyretti als Entschuldigung akzeptieren. Wir müssen zusammenstehen und gemeinsam unsere Klasse auf den Rasen bringen. Dann kommt der Erfolg.
Bemängeln Sie die Einstellung der Spieler?
Das ist schwierig zu beurteilen. Ich bin selten im Training. Diese Beurteilung liegt in der Verantwortung und Kompetenz des Trainerstabs und Sportchefs.
Stichwort Wohlfühloase: Geht es den Spielern in Aarau zu gut?
Ich gehe davon aus, dass auch die Spieler den Erfolg suchen. Allein schon aus finanziellen Gründen. Denn fast alle haben leistungsbezogene Verträge. Allein die Punkteprämien sollten Ansporn sein, gute Leistungen zu zeigen. Zusätzlich war der FCA in den vergangenen Jahren immer wieder ein Sprungbrett für einzelne Spieler. Dies sollte zusätzlich zu Höchstleistungen animieren.
Trainer Patrick Rahmen versicherte, man würde bei den neuen Spielern auf den Charakter achten. Er sagte, es brauche druckresistente Führungsspieler. Hat man nicht genau hingeschaut?
Nach dem charakterstarken Spieler, der den Takt bestimmt, Präsenz markiert, druckresistent ist und die Mannschaft mitreissen kann, suchen wir seit dem Abgang von Artur Ionita seit Jahren. Wir haben ähnliche Spieler. Aber sie erfüllen nicht alle Komponenten.
Sportchef Sandro Burki hatte eine hervorragende Ausgangslage. Er konnte einen neuen Trainerstab verpflichten. Und vor allem hatte er bei Spielerverpflichtungen so viel Geld zur Verfügung wie kaum je ein Sportchef vor ihm. Sein Leistungsausweis aber ist bescheiden.
Das würde ich so nicht sagen. Burki wurde vor der Saison von mehreren Experten für seine Transfers gelobt.
Sie finden, Burki hat bislang einen guten Job gemacht?
Ja. Er hat das Team nach seinem Gutdünken zusammengestellt und wurde von Experten und den Medien gelobt.
Die Mannschaft ist teuer, aber ihr Marktwert bescheiden. Weil a) Spieler wie Zverotic oder Schneuwly altersbedingt den Zenit überschritten haben, b) Spieler wie Jäckle seit Jahren stagnieren, c) Spieler wie Almeida oder Pepsi nur ausgeliehen sind oder d) Spieler wie Giger oder Hammerich noch nicht so weit sind, um in einer höheren Liga zu bestehen.
Das sehe ich anders. Wir haben eine junge Mannschaft. Aber wir brauchen arrivierte Spieler wie Schindelholz, Zverotic und Schneuwly, die mithelfen, unsere jungen Spieler zu entwickeln.
Burki hat doch bereits vergangenen Winter viel Autorität verloren, als seinem Wunsch nach einem Trainerwechsel nicht entsprochen wurde.
Das ist Ihre Hypothese. Ich denke, Burki geniesst in der Mannschaft und bei allen Mitarbeitern immer noch eine hohe Akzeptanz. Er war ein guter Fussballer, kennt den Klub in- und auswendig. Er ist ein hervorragender Kenner der Liga. Und er hat mit Patrick Rahmen eine gute Trainerwahl getroffen.
Warum ist Rahmen eine gute Wahl? Es gab schon Trainer, die trotz besserer Bilanz freigestellt wurden.
Schaut man sich die Trainings an, erkennt man, dass sehr gut gearbeitet wird. Die Mannschaft ist fit. Es fehlt einfach der nötige Kick, das befreiende Erfolgserlebnis.
Ist es nicht arg fatalistisch, einzig auf den nötigen Kick zu hoffen?
Wir haben die Verträge mit den Spielern und Trainern gemacht, weil wir überzeugt waren von ihren Qualitäten. Jetzt braucht es Geduld. Ich jedenfalls glaube daran, dass wir mit diesem Personal die Wende schaffen.
Jetzt geht es nicht mehr um Langzeitkonzepte, sondern einzig um den kurzfristigen Erfolg. Haben Sie mit dem Trainer Zielvorgaben für die nächsten Partien besprochen?
Nein. In fast zwölf Jahren im Fussball habe ich gelernt: Ein Ultimatum ist nicht zielführend. Auch wenn es abgedroschen klingt, müssen wir Spiel für Spiel nehmen.
Bleibt es dabei, dass diese Saison Ihre letzte sein wird?
Ja. Wir diskutieren im Verwaltungsrat über verschiedene mögliche Nachfolger.
Wird der Verwaltungsrat an der nächsten GV im Mai geschlossen zurücktreten?
Nein, ich spreche nur für mich. Ich werde aus dem Verwaltungsrat zurücktreten und weiterhin als Mitglied diverser Sponsorenvereinigungen dabei bleiben. Wer vom aktuellen VR zusammen mit mir zurücktreten wird, weiss ich nicht.
Besteht die Möglichkeit, dass Ihr Vize Roger Geissberger oder ein anderes VR-Mitglied Präsident wird?
Das müssen Sie die Verwaltungsräte fragen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass Geissberger als Vize-Präsident das Präsidentenamt übernehmen will. Auf der Kandidatenliste werden aber sicher Namen aufgeführt, die jetzt noch nicht im Verwaltungsrat sind.
Wie stark nehmen Sie Einfluss bei der Nachfolgeregelung?
Ich werde alles daransetzen, einen Nachfolger zu finden, der ähnlich denkt und handelt wie ich, der den Klub wie bislang breit abstützt und ihn mit der gleichen Ideologie führt, wie ich es tue. Der Klub soll jedenfalls nicht in fremde Hände gelegt werden.
Haben Sie schon Gespräche mit potenziellen Nachfolgern geführt?
Sagen wir es so: Ich habe bei einigen Personen schon mal vorgefühlt, ob man sie als Kandidat prüfen kann.
Ihr Nachfolger kauft die Katze im Sack. Zum Zeitpunkt seiner Zusage weiss er nicht, ob das neue Stadion gebaut werden kann. Und wenn der FC Aarau im Abstiegskampf verharrt, weiss er auch nicht, in welcher Liga man nächste Saison spielt.
Das stimmt. Deshalb werde ich offen und ehrlich kommunizieren. Wenn der Stadion-Entscheid negativ ausfällt, muss man darauf hoffen, zumindest mit einer Ausnahmebewilligung in der Challenge League verharren zu können. Oder vielleicht muss auch der Entscheid gefällt werden, sich vom Profifussball zu verabschieden. Aber wir gehen davon aus, dass der Entscheid des Aarauer Stimmvolks positiv ausfallen wird.