Franziska Roth, die SVP und die Politik – das grosse Missverständnis

Franziska Roth und die SVP, das ist offenbar ein grosses Missverständnis, von Anfang an. Obwohl die ehemalige Richterin als Regierungsrätin stramm auf Parteilinie politisiert, kam es schon früh zur gegenseitigen Entfremdung. Diese wurde zuerst intern ausgetragen, später teilweise öffentlich und nun ist es ein offener Rosenkrieg.

Die SVP will sich in Roth so sehr getäuscht haben, dass sie sich im Nachhinein sogar für deren Nomination als Regierungsratskandidatin vor drei Jahren entschuldigt. Eine grössere Demütigung gibt es kaum. Auch Roth hat sich das alles ganz anders vorgestellt. Sie sieht sich getäuscht von der Leitung der SVP Aargau und bricht nun offen mit ihr.

«Bisher ein Missverständnis» titelten wir in einem Kommentar als Zwischenfazit nach Roths erstem Amtsjahr. Eigen- und Fremdbild ihrer Amtsführung klafften weit auseinander. Sie selber sah sich stets auf Kurs; die Parteien dagegen fragten sich, wann die Quereinsteigerin endlich in ihrem Amt ankomme.

 

Über ein Jahr später hat sich daran nichts geändert. Im Gegenteil: Jetzt wird sogar von einer unabhängigen externen Stelle untersucht, was in Roths Departement Gesundheit und Soziales (DGS) alles falsch läuft. Roth selber betont bei jeder Gelegenheit, wie gut ihr Departement trotz personellem Aderlass in Schlüsselfunktionen funktioniere. Auch hier fühlt sich die Regierungsrätin systematisch missverstanden.

Der Dauerstreit um Franziska Roth und die Serie von Eklats hinterlassen fast nur Verlierer.

  • Allen voran Franziska Roth, die mit ihrem Parteiaustritt zwar zum Befreiungsschlag ausgeholt hat, aber dafür nun sogar die (ehemals) eigene Partei gegen sich hat. Sie muss ihre Amtszeit bis Ende 2020 ohne politischen Rückhalt zu Ende führen. Dabei wäre sie bei so wichtigen Geschäften wie dem Spitalgesetz oder neuen Asylgrossunterkünften auf Unterstützung angewiesen.
  • Die SVP. Die erfolgsverwöhnte Volkspartei hat sich nicht nur verpokert, als sie auf Franziska Roth als mögliche Nachfolgerin von Susanne Hochuli gesetzt hatte. Sie hat sich in der Causa Roth auch die Zügel aus der Hand nehmen lassen und – an sich untypisch für sie – gezaudert. Die SVP hatte ihrer Regierungsrätin Mitte März ein halbherziges Ultimatum bis Sommer gestellt, statt klare Verhältnisse zu schaffen. Nun ist Roth der SVP mit ihrem Parteiaustritt zuvorgekommen. Wie sehr die Personalie Roth der SVP bei den eidgenössischen Wahlen im Herbst schadet, ist schwer abzuschätzen. Steigen dürfte das Vertrauen in die Personalpolitik der SVP jedenfalls kaum.
  • Auch die Wählerinnen und Wähler gehören zu den Verlierern, unabhängig davon, ob sie nun Franziska Roth gewählt haben oder nicht. Statt einer überzeugenden Gesundheits- und Sozialpolitik, getrieben durch eine starke Regierungsrätin und getragen vom Parlament, hat das Stimmvolk nun Personalquerelen, Politversagen und einen Parteiaustritt bekommen.

Franziska Roth und die Politik – am Ende ein grosses Missverständnis mit vielen Verlierern.