Freispruch für Hochseilartist Freddy Nock: Richter hatten zu viele Zweifel

Als «toxische Beziehung» bezeichnete Jann Six, Gerichtspräsident am Aargauer Obergericht, die Ehe des Hochseilartisten Freddy Nock und seiner Noch-Ehefrau. Nock musste sich am Dienstag vor dem Obergericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf ihm versuchte vorsätzliche Tötung, Gefährdung des Lebens sowie versuchte schwere Körperverletzung vor. Das Opfer ist seine Noch-Ehefrau.

Diese schilderte vor dem Aargauer Obergericht noch einmal, was 2008 und 2013 passiert ist. 2008 soll Freddy Nock sie gewürgt und danach über das Treppengeländer gehalten und sie gefragt haben: «Wottsch abegheie?» Beim zweiten angeklagten Vorfall von 2013 soll er seine Ehefrau im Hotelzimmer nach den Swiss Awards geschlagen und ihr ein Kissen auf das Gesicht gedrückt haben. So lange, bis sie sich totgestellt hat.

Ihre Tochter aus erster Ehe schilderte vor Gericht, dass sie aus dem Nebenzimmer den Streit gehört habe. Schreie und Schläge.

Nocks leibliche Tochter aus erster Ehe war an jenem Abend ebenfalls im Hotelzimmer. Auch sie musste vor Obergericht als Zeugin gegen ihren Vater aussagen, sagte jedoch, dass sie sich nicht mehr erinnere, sie das Vorgefallene verdrängt habe. Der Gerichtspräsident will wissen, warum sie weine: «Weil ich Angst habe um meinen Papi.»

Als letzte Zeugin schilderte Nocks Noch-Ehefrau die beiden Vorfälle. Sie erzählte, Freddy Nock sei ein Kontroll-Freak, der sie habe erniedrigen wollen. Sie habe aber nie jemanden von den Tätlichkeiten und Streitereien erzählt. «Ich wollte nicht, dass es rauskommt und unsere Beziehung kaputt geht», sagte sie. Sie hielt auch fest, dass sie nie zur Polizei gegangen wäre. Sie habe der Polizistin nur davon erzählt, weil diese sie gefragt habe.

Freddy Nock schildert Vorfälle anders

Vor dem Bezirksgericht Zofingen, wo am 11. Dezember 2019 der erstinstanzliche Prozess stattgefunden hatte, verzichtete Freddy Nock darauf, auszusagen. Anders vor Obergericht. Er erzählt von verschiedenen Streitereien und Diskussionen mit seiner Frau; davon, dass sie ihn zwischen die Beine getreten habe.

In Bezug auf die beiden Vorfälle in der Anklageschrift erzählte er aber eine vollkommen andere Geschichte. Er habe sie nie über das Treppengeländer gehoben. «Das habe ich nicht erlebt mit ihr.» Auch die Vorfälle im Hotelzimmer schilderte er anders. Sie sei an diesem Abend betrunken gewesen, habe ihn im Bett die Ferse in die Nierengegend geschlagen. Als sie nicht damit aufhörte, habe er sie am Hals gehalten. «Nie im Leben würde ich meine Frau töten wollen», stellte er klar und weiter: «Ich habe mich sehr gut unter Kontrolle.»

Staatsanwalt beantragt 6 1/2 Jahre Gefängnis

So argumentierte auch Nocks Verteidiger, der einen Freispruch verlangte. Die Noch-Ehefrau passe ihr Verhalten immer der Situation an und erhebe immer dann neue Vorwürfe, wenn sie etwa das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn in Gefahr sehe.

Ausserdem führte der Verteidiger aus, dass es rein räumlich gar nicht möglich gewesen wäre, dass der Beschuldigte seine Ehefrau über das Treppengeländer gehoben hätte. «Das kann sich so nicht abgespielt haben.»

Staatsanwalt Simon Burger hingegen wollte Freddy Nock weiterhin hinter Gitter bringen. Er beantragte eine Freiheitsstrafe von 6 1/2 Jahren.

Mit diesem Antrag unterlag er vor Obergericht. Die Oberrichter sprachen Nock nach einer kurzen Beratung nach dem Grundsatz in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten – frei. Es sei sicher etwas vorgefallen, sagte Gerichtspräsident Jann Six. Aber es bestünden erhebliche Zweifel.

Den Oberrichtern fehlten tatnahe Aussagen

Erstens lägen die beiden Vorfälle sehr weit zurück. Zweitens würden tatnahe Aussagen fehlen und auch objektive Beweismittel gebe es nicht. Was genau passiert sei und in welcher Intensität, lasse sich nicht mehr erstellen.

Mit dem Freispruch kippte das Aargauer Obergericht das erstinstanzliche Urteil. Das Bezirksgericht Zofingen hatte Freddy Nock wegen versuchter vorsätzlicher Tötung schuldig gesprochen und ihn zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren verurteilt. Davon hätte er zehn Monate absitzen müssen.