
«Frustrierend», «sinnloses Zuwarten»: Taskforce-Experten suchen Konfrontation mit dem Bundesrat
Die Covid-19-Taskforce sei zu handzahm, kommentierte diese Zeitung vor knapp zwei Wochen. Sie unterlasse es den Behörden und der Öffentlichkeit zu sagen, welche Massnahmen es jetzt bräuchte. Tempi passati. Auf Twitter schiessen einzelne Mitglieder scharf gegen die politische Führung des Landes.
Dass der Bundesrat an seiner Mittwochsitzung keinen rigideren Coronakurs verhängte und bis nächste Woche abwarten will, wie sich die jüngsten Massnahmen auswirken, kann Christian Althaus nicht verstehen. Auf Twitter kritisierte der Professor für Epidemiologie an der Universität Bern: Es braucht mindestens zwei Wochen, bis die Wirkung einer Massnahme ersichtlich ist. Nächsten Mittwoch sieht man also sowieso noch nichts. Was soll dieses sinnlose Zuwarten?
Kritik via Twitter: Der Berner Epidemiologe Christian Althaus. © Twitter
«Frustrierend», twitterte der Berner Epidemiologieprofessor Matthias Egger, der die Taskforce früher präsidierte. Der Grund: Schon im Sommer, als die Fallzahlen wieder exponentiell anstiegen, rief die Taskforce zu sofortigem Handeln auf. Anfang Juli zeigte sie sich alarmiert und richtete dringende Empfehlungen und Massnahmen an Politik und Bevölkerung, zum Beispiel Clubs, Discos und Bars zu meiden. Die Basler Epidemiologin Emma Hodcroft bezeichnete Kurzlockdowns in einem Tweet als gute Möglichkeit, die Verbreitung des Virus einzudämmen, wenn die Situation aus dem Ruder läuft. «Genau», kommentierte Egger. Der Bundesrat prüft derzeit solche Minilockdowns.
Nicola Low, Professorin für Epidemiologie an der Universität Bern, twitterte an die Adresse von Bundesrat Alain Berset und Lukas Engelberger, den Präsidenten der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren: «Die Fallzahlen stiegen schon im Sommer exponentiell. Sie steigen jetzt exponentiell, weil wir damals nicht gehandelt haben.» Christian Althaus wundert sich derweil über Justizministerin Karin Keller-Sutter, die gemäss dem «Tages-Anzeiger» zuerst wissen will, welche Kosten die einzelnen Lockdown-Varianten verursachen: «Ähm, hätte der Bundesrat nicht sechs Monate Zeit, diese Rechnungen anzustellen?»
Zürich informiert am Mittag, der Bund um 14 Uhr
Am Donnerstag vermeldete das Bundesamt für Gesundheit 5256 laborbestätigte Neuinfektionen und 106 weitere Spitaleinweisungen. Am Freitag 14 Uhr ist eine Pressekonferenz im Medienzentrum des Bundes angesagt. Bereits um 12 Uhr informiert der Zürcher Regierungsrat über das weitere Vorgehen zum Eindämmen des Coronavirus. Denkbar ist, dass auch Zürich ein Verbot für Grossveranstaltungen verhängt.