Für die Billag nicht dement genug – Gebührenbefreiung erst ab «Pflegestufe 5»

Nennen wir ihn Karl. Karl ist 78 Jahre alt, dement und Patient in einem Pflegeheim. Zeitung lesen kann er schon seit längerem nicht mehr – er vergisst sofort, was im Satz zuvor gestanden hat. Fernsehen? Spätestens nach fünf Minuten setzt das Gedächtnis aus, was auch für Radiosendungen gilt. Dennoch muss Karl die obligatorische Radio- und Fernsehabgabe – im Volksmund Billag – berappen.

Wie bitte? Ja, sagt Isabelle Kuhn. Sie ist Leiterin Administration und Mitglied der Geschäftsleitung des Alterszentrums Lindenhof in Oftringen. «Eine Billag-Befreiung ist erst ab Pflegestufe 5 möglich.» Hier geht es nicht um die Gedächtnisleistung eines Patienten, sondern um einen täglichen Pflegeaufwand von mindestens 81 Minuten. Aus wirtschaftlichen Gründen Billag-befreit sind Patientinnen und Patienten, welche zu ihrer AHV eine staatliche Ergänzungsleistung erhalten.

Was hat ein Dementer wie Karl von seiner Billag-Zahlung? Marlis Businger, Leiterin des Alters- und Pflegezentrums Rondo der Gemeinden Safenwil und Walterswil, möchte das nicht so eng sehen. «Was und wie viel ein dementer Mensch wirklich aufnimmt, ist nicht klar. Zeitung lesen kann eine sinnvolle Beschäftigung, ein Ritual sein – obwohl man das Gelesene vielleicht gar nicht aufnehmen kann oder gleich wieder vergisst. Dies gilt auch für das begleitete Fernsehen und Radiohören.»

Zurück zur Tagesordnung? Nein, weil zum Beispiel die Bewohner einer WG – egal wie viele zusammenleben – die Billag einmal bezahlen müssen – die einzelne Person nicht zur Kasse gebeten wird. Ist es logisch, dass Bewohnerinnen und Bewohner eines Heims von der Billag anders behandelt werden? Weshalb ist dem so?

«Wir durften nicht»
Antwort gibt Dominik Müller, Kommunikationschef der Billag: «Ganz ehrlich – ich weiss nicht, was die Gründe für die Differenzierung waren, als die noch gültige Rechtsgrundlage geschaffen wurde. Ich weiss nur, dass wir froh sind, dass eine Situation, wie beschrieben, mit dem neuen Gesetz per 1. Januar 2019 nicht mehr vorkommen wird. Denn das waren genau die Einzelfälle, für die wir gerne eine nach gesundem Menschenverstand vernünftige Lösung gefunden hätten – aber nicht durften, weil wir strikte dazu verpflichtet sind, nach Gesetz und Verordnung zu handeln.»

Zum bisherigen Gesetz sagt Francis Meier, Sprecher des Bundesamts für Kommunikation: «Ein Heim ist ein Kollektivhaushalt, der die Gebühr für Geräte in gemeinsam genutzten Räumen bezahlt.» Daneben vermietet ein Heim aber persönliche Zimmer. «Für Geräte in diesen privaten Räumen ist man gebührenpflichtig, gleich wie wenn man mehr als drei Monate in einem Hotel wohnt.»

Neues Regime ab 2019
Ab neuem Jahr ist mit diesem Regime nun Schluss: «Nach neuem Recht zahlt eine Institution für alle ihre Kollektivhaushalte und je nach Umsatz auch eine Unternehmensabgabe», sagt Francis Meier. «Die Bewohner müssen nichts mehr bezahlen. Damit wird auch die Befreiung nach Pflegeminuten überflüssig.»

In der neuen Verordnung sind die Bewohner befreiter Institutionen abschliessend aufgeführt. Neben Pflegeheimbewohnern sind das Klöster, aber auch die Insassen von Strafanstalten.