
Für ihn ist Boxen weder stumpf noch brachial oder dumm
Der Trainer seiner eigenen Box-Schützlinge zu sein – hätte ihm jemand vor zehn Jahren gesagt, dass das seine Bestimmung ist, hätte er ihm das nicht abgekauft. Der Egerkinger Nexhmi Zenuni kommt selbst aus dem Sport. Mit Anfang 20 entdeckt er den Faustkampf für sich und kehrt dem Fussball den Rücken. In seinem Leben fehlt es ihm damals an Kontinuität und Struktur – den einzigen Halt gibt ihm das Boxen. «Wenn ich mich im Ring befunden habe, war ich in meiner eigenen, geregelten Welt. Das hat mir sehr geholfen.»
Alles besser gemacht hat das Boxen allerdings nicht. Er trainiert damals in Aarau, macht aber aus gesundheitlichen Gründen in vier Jahren nur fünf Kämpfe – gewinnen kann er keinen. Zudem gibt es Schwierigkeiten mit seinem damaligen Trainer, Zenuni fühlt sich nicht unterstützt. Ein Gefühl, das er so keinem je vermitteln möchte.
Über Umwege kommt er dann zum Boxclub in Aarburg. Nachdem sein dortiger Trainer aufhört, übernimmt er das Boxtraining als Coach. Das dazugehörige Fitnessstudio führt ein Bekannter von ihm. Von der engen Zusammenarbeit profitieren sie beide. Seine Trainingsstunden sind immer gut besetzt: Einige suchen dort eine Möglichkeit, sich fit zu halten und gleichzeitig Spass zu haben, andere streben nach Höherem. Höheres im Sinne von Boxkämpfen – die neue Saison steht vor der Tür und Nexhmi Zenuni hat vier Boxer in verschiedenen Gewichtsklassen unter seinen Fittichen, mit denen er nun ganz gross angreifen möchte: «Ziel ist es, dass wir an möglichst vielen Kämpfen teilnehmen können.»
«Wenn jemand nicht bei der Sache ist, kann er gehen»
Vertrauen hat er in seine Jungs. Wenn er von seinen Schützlingen erzählt, hört er sich häufig wie ein stolzer Vater an, der über seine Kinder spricht. Kein Wunder, zum Teil verbringt er so viel Zeit mit ihnen, dass er kaum mehr Freizeit hat. «Ich arbeite Vollzeit, helfe am Wochenende als Security aus und verbringe beinahe jeden Abend hier im Studio.» Seine Frau, die er erst kürzlich geheiratet hat, kriegt er nicht mehr oft zu sehen. Zenuni fordert aber auch viel: «Wenn ich merke, dass jemand nicht voll bei der Sache ist, kann er gehen.» Wenn sich die Sportler aber voll drauf einlassen, widmet er ihnen und dem Training seine ganze Zeit. «Ich glaube nicht, dass es Amateurboxer gibt, die so viel individuelle Betreuung und Coaching erhalten wie meine», erzählt er schmunzelnd.
Talentiert sind sie alle, meint Zenuni. Und doch wird er schon beinahe philosophisch bei der Frage, wie wichtig das Talent im Boxsport sei. Das Talent zeichnet sich seiner Meinung nach darin aus, eine besonders hohe Auffassungsgabe und Lernfähigkeit zu besitzen. Boxen kann eigentlich jeder, manche brauchen einfach mehr Zeit und intensiveres Training, um auf das selbe Level zu kommen wie andere. Zudem sei im Boxen die mentale Stärke gefragt – wohl mehr als in jeder anderen Sportart. Der 28-Jährige betont ausserdem, wie weit das eigentliche Boxen von den Vorurteilen entfernt ist: Stumpf, brachial und dumm. Die besten Boxer seien strategisch und mental so stark, ohne Intelligenz wäre das nicht möglich.
«Der schönste Lohn ist die Dankbarkeit der Jungs»
Reich wird er durch das Coaching nicht. Das ist Zenuni aber auch nicht wichtig: «Der schönste Lohn ist die Dankbarkeit der Jungs. Wenn sie mir sagen, dass sie es schätzen, dass ich für sie als Coach da bin – das ist mir mehr wert als alles Geld der Welt. Wenn wir mal sterben, ist es egal, wie viel Geld wir gehabt haben, was bleibt, ist das, was wir weitergegeben haben. Unser Vermächtnis.»
Am Samstag beginnt die Box-Saison in Glattbrugg. Nexhmi Zenuni wird mit zwei seiner Schützlinge antreten und hofft, einen gelungenen Start in die neue Saison feiern zu können. «Ich bin sehr optimistisch», grinst er.
Jan-Niklas Reinhardt
(20) absolviert die Ringier Journalistenschule, hat die FMS Kommunikation abgeschlossen und ist nun Volontär bei BlickTV.