Fux und Igel

Es harzt ein wenig mit dem Piksen in der Schweiz. Impfen oder gar Injektion sagen sogar wir Journalisten nicht mehr so gerne, tönt eindeutig zu brutal, oder? Erst ziemlich genau die Hälfte der erwachsenen Schweizer Bevölkerung ist doppelt gepikst – und die Hersteller Pfizer/Biontech und Moderna sprechen bereits verdächtig oft vom dritten Piks, der bald fällig wird. Jetzt muss man der abtrünnigen Hälfte impfunwilliger, unsolidarischer, wissenschaftsignoranter Hinterwäldler schleunigst Beine machen!

Experten haben bereits eindrücklich demonstriert, wie man die Lust auf den Piks erhöhen kann: Mit 100 Dollar Prämie zum Beispiel, mit Kuchen, Würsten und Gratis-Joints, Impflotterien und Pizza. Im Aargau lanciert das DGS derweil eine Kampagne mit dem Titel «Was pikst, das schützt». Darauf zu sehen: ein Igel. Im ersten Augenblick denke ich: Aha! Nach fünf weiteren Sekunden: Der Igel hat Stacheln, die piksen. Die Stacheln des Igels halten andere davon ab, ihn zu piksen. Daraus folgern wir: Geschützt ist nicht der Gepikste, sondern der Piksende. Aber so viel Zeit zum Philosophieren haben sie im DGS halt nicht.

Sie hätten den KSA-Infektiologen Christoph Fux, mittlerweile ein wahrer Medienprofi, hinzuziehen sollen. Gerade letzte Woche hat er uns in der grössten Aargauer Tageszeitung wieder mit einem Gastbeitrag verwöhnt, in dem er die Impfstoffentwicklung mit der grossartigen Leistung unserer Sprinterin Mujinga Kambundji in Tokio verglich. Kleiner Unterschied: «Unsere» mRNA-Impfstoffe wurden nicht nur Siebte, sondern haben ihr Rennen gewonnen. Und zwar, indem sie in selbstloser Art und Weise mehrere Studienphasen in Turbo-Geschwindigkeit parallel laufen liessen – auf die Gefahr hin, dass sie am Ende ohne Zulassung mit nichts dastehen. Ein wenig Staatshilfe war auch noch dabei, aber Herr Fux hat trotzdem Recht: Das war wirklich ein pharmakologischer Supersprint zur Rettung der Menschheit. Etwas, was früher unmöglich schien. Fast schon ein Wunder.

Das Schönste dran ist: Weitere Rekorde werden purzeln! Nachdem Moderna im zweiten Quartal 2020 noch 117 Millionen Verlust schrieb, resultieren im selben Quartal 2021 bereits 2,4 Milliarden Gewinn. Auch Pfizer und Biontech profitieren im grossen Stil vom ersten Platz im Covid-Sprint. Aus tiefer Dankbarkeit haben deshalb beide Hersteller bereits angekündigt, der dritte Piks werde etwas teurer. Die Regeln bestimmen nun mal die Sieger.