
Gashi, Keller und das Fettnäpfchen
Vergangenen Dienstag im Brügglifeld, es läuft die 64. Minute im Spiel gegen Chiasso: Aarau-Trainer Stephan Keller bringt Shkelzen Gashi für Donat Rrudhani. 21 Minuten später holt Keller Gashi wieder vom Feld.
Ist Gashi verletzt? Ist der Starstürmer nach dem Kurzeinsatz schon müde? Hat er gar keine Lust mehr? Nein! Gashi verlässt den Platz gesund. Nach dem Spiel spricht Keller von einem taktischen Wechsel. Der Platzverweis kurz vor der Gashi-Auswechslung gegen Olivier Jäckle habe ihn dazu bewogen, mit Yvan Alounga einen laufstarken Stürmer zu bringen, den man mit weiten Pässen in die Tiefe lancieren kann. Was nicht Gashis Spielweise entspricht.
Gashi macht auf gute Laune – wie denkt er wirklich?
Eines vorneweg: Es liegt im Ermessensspielraum eines Trainers, welchen Spieler er im Lauf einer Partie bringt und welchen Spieler er auswechselt. Trotzdem! Wechselt ein Trainer einen Spieler mit Promi-Status wie Gashi Mitte der zweiten Halbzeit ein und nimmt ihn kurze Zeit später wieder raus, ist das – gelinde gesagt – heikel. Wer will, kann in diesem Fall sogar von Majestätsbeleidigung sprechen.
Gashi selbst liess die Auswechslung äusserlich emotionslos über sich ergehen und lächelte nach dem Schlusspfiff die Fragen zu seiner Auswechslung weg.
Gashi macht auf cool – umso mehr stellt sich die Frage: Wie sah es in seinem Innern aus? Wie war seine Gefühlswelt? Machte er gute Miene zum bösen Spiel? Gut möglich! So entspannt, wie es den Anschein machte, war Gashi kaum. Die Auswechslung eines Spielers, der eben erst eingewechselt wurde, gilt per se als Höchststrafe, die an keinem Spieler einfach so vorbeigeht. Für die Psyche und das Selbstvertrauen von Gashi ist sie gar Gift: Denn der sensible und ebenso stolze Albaner, der in seinen besten Zeiten von der mentalen Stärke und dem Vertrauen des Trainers in seine Person und Qualitäten gelebt hat, ist die Aktion ein weiterer Rückschlag auf dem steinigen Weg zurück. Hinter Gashi liegen schwierige Monate, die noch nicht ausgestanden sind.
Weil sein früherer Klub, die US-Franchise Colorado Rapids, im März 2019 entschied, auf die Dienste des albanisch-schweizerischen Stürmers zu verzichten, bestritt er knapp anderthalb Jahre lang keinen Ernstkampf. Die konditionellen Defizite und die fehlende Spielpraxis machen ihm bis zum heutigen Tag zu schaffen. Kommt hinzu, dass der im Sommer des vergangenen Jahres angekündigte und während der Winterpause vollzogene Wechsel zum FC Aarau grosse Erwartungen weckte. Erwartungen, die Gashi bis jetzt bei weitem nicht erfüllen konnte und womöglich nie erfüllen kann. Wird er wieder zum Torjäger, Anführer und Fan-Liebling, der er sein muss, damit sich sein hoher Lohn für den zum Sparen gezwungenen FC Aarau überhaupt auszahlt? Die Antwort lautet: Mehr als ungewiss.
Die Vorgeschichte mit Gashi und Keller im Januar
Der FC Aarau hatte schon vor der Rein-Raus-Aktion mit Gashi genug Probleme – die Mannschaft ist von hinten bis vorne eine Baustelle, bei der nicht absehbar ist, ob etwas Schönes daraus entstehen wird. Nun öffnet Stephan Keller mit Gashi ein weiteres Fass. Brisant: Gashi und Keller gerieten gemäss AZ-Informationen im Trainingslager im vergangenen Januar aneinander, damals war Keller noch Assistent von Patrick Rahmen und habe – gemäss mehrerer unabhängiger Quellen – Gashi mit Sprüchen anzünden wollen, was dieser jedoch in den falschen Hals bekam.
War die Gashi-Auswechslung eine Machtdemonstration des neuen Trainers, der bei seiner Präsentation vor zwei Wochen ankündigte, nur nach Leistung und nicht nach Namen aufzustellen? Die taktischen Überlegungen hinter dem Spielerwechsel hätten sich jedenfalls eleganter, sprich ohne politische Komponente umsetzen lassen – indem man statt Gashi einen anderen Spieler vom Platz nimmt. Denn: Es darf doch nicht der Anspruch des FC Aarau, sich trotz einem Mann weniger so stark dem Tabellenschlusslicht anzupassen, dass einzig und allein die Gashi-Auswechslung in Frage kommt. Notabene dauerte die offizielle Spielzeit danach noch gut fünf Minuten.
Mit Markus Neumayr hat sich am Tag der Verpflichtung von Stephan Keller der erste Freigeist mit dem Hang zu Starallüren im FCA-Kader verabschiedet. So gesehen darf man gespannt sein, wie sich das Verhältnis zwischen Keller und Gashi entwickelt, die beide einen Vertrag bis 2023 besitzen.