
GastroSuisse-Präsident: «Ich würde dem Bundesrat eine sehr schlechte Note geben»
Herr Platzer, der Bundesrat hat heute erklärt, wie er die Wirtschaft aus dem Lockdown entlassen will. Sind Sie zufrieden?
Casimir Platzer: Wir sind sehr enttäuscht. Zum Zeitpunkt der Wiedereröffnung der gastronomischen Unternehmen hat er sich noch nicht geäussert. Damit bleibt die Branche im Ungewissen.
Haben Sie Verständnis dafür, dass es für Ihre Branche vielleicht mehr Zeit braucht?
Nein, überhaupt nicht. Wir verstehen nicht, dass der Bundesrat uns noch keine Perspektive gibt. Viele andere Gewerbeunternehmen hingegen können nun auf den Weg zurück zum Normalzustand gehen.
Für Sie ist es also in jeder Hinsicht eine Enttäuschung?
Einen Hoffnungsschimmer gibt es. Da noch kein Datum fixiert ist, könnten wir bei der nächsten Staffel der Öffnungen dabei sein. Dafür werden wir uns nun mit aller Kraft einsetzen. Es kann sein, dass Bundesrat Alain Berset die Gastbetriebe erst am 8. Juni öffnen lassen wollte, dafür aber keine Mehrheit bekam. Wenn es so war, hätten wir eine Chance. Dann könnten wir vielleicht früher öffnen.
Haben den Bundesrat Ihre Vorschläge zu den Schutzmassnahmen nicht überzeugt?
Es hiess, man müsse ein Konzept einreichen. Das haben wir getan, aber keine Rückmeldung erhalten. So geht es natürlich nicht. Nagelstudios und Beautysalon dürfen öffnen, zu uns sagt man kein Wort. Das irritiert mich sehr. Im Grunde genommen ist es schlicht eine Frechheit.
Aber letztlich ist es doch richtig, dass der Bundesrat auf der Grundlage des aktuellen Wissensstandes über die Lockerungen entscheidet.
Richtig. Wir haben immer betont, dass dies Aufgabe des Bundesrates ist. Doch mit dieser Nicht-Kommunikation werden wir völlig im Ungewissen und ohne Perspektive gelassen. Unseres Erachtens wäre eine Lockerung durchaus realistisch, natürlich unter Einhaltung strenger Schutzmassnahmen.
Zum Beispiel?
Dass wir die Anzahl Gäste pro Quadratmeter limitieren. Zudem braucht es einen Mindestabstand zwischen den Tischen und eine Schutzmaskenpflicht mindestens hinter den Kulissen. Im Service sollen nur dann Masken getragen werden, wenn die Distanzregeln nicht eingehalten werden können. Alternativ kann man an der Theke oder an einem Beistelltisch servieren.
In Ihrer Branche sind die Margen ohnehin dünn. Mit solchen Beschränkungen wären sie oftmals dahin. Muss man mit einer Konkurswelle rechnen?
Das ist ein Problem, das haben wir dem Bundesrat auch geschrieben. Die Margen sind klein. Es wird schwierig, wenn nach einer Teilöffnung nur 40 oder 50 Prozent genutzt werden können. Dann gewissen Betriebskosten sind nun einmal fix, da lässt sich nichts optimieren. Darum muss nach der Teilöffnung möglichst bald die volle Wiederöffnung kommen.
Das hat der Bundesrat jedoch nicht in der Hand, es hängt vom Virus ab.
Jeder Betrieb müsste selber schauen können, wie er die Regeln umsetzt. Auf Terrassen zum Beispiel kann man die Abstände bestens einhalten.
Selbst nach einer Teil- oder Vollöffnung bleiben viele Probleme. Reisen sind stark eingeschränkt. Menschen, die Risikogruppen angehören, bleiben lieber daheim.
Das ist alles richtig. Wir stehen so oder so vor grossen Herausforderungen. Umso unverständlicher ist es, dass nun zu unserer Branche kein Wort gesagt wurde. Wir sind sprachlos.
Im März ging die Arbeitslosigkeit in der Gastronomie rasant nach oben. Wird es so weiter gehen?
Wenn man unsere Branche weiterhin im Ungewissen lässt, dann werden Schliessungen und Konkurs markant zunehmen. Und dann steigt auch die Arbeitslosigkeit.
Muss man nicht befürchten, dass die Arbeitslosenzahlen in Ihrer Branche so oder so steigen werden?
Nicht unbedingt. Im März waren vor allem Einmaleffekte zu beobachten. Das muss sich nicht wiederholen. Den meisten Betrieben mangelt es an Fachkräften. Die werden sie nicht leichtfertig entlassen.
Welche Einmaleffekte waren das?
Die Wintergebiete mussten vorzeitig schliessen. Mitarbeiter, die normalerweise in der Zwischensaison in die Heimat fahren, blieben in der Schweiz. Weil sie in der Heimat nicht einreisen konnten oder weil sie befürchten mussten, nicht mehr in die Schweiz zurückkehren zu können. Und die Sommergebiete konnten noch nicht öffnen.
Braucht es Entgegenkommen von Vermietern?
Ja. Da werden wir nicht darum herumkommen. Wenn die Betriebe geschlossen sind, dann bleiben die Mieten als grösster Kostenblock. Wir kämpfen für eine Lösung. Die Wirtschaftskommission des Nationalrates hat den Bundesrat damit beauftragt, auf Grundlage bestehender Schiedsgerichtsurteile einen Entscheid zu fällen.
Wie fielen diese Urteile aus?
Ein Wirt in Luzern bekam eine Reduktion von 60 Prozent. In anderen Fällen könnte auch mehr möglich sein.
Welche Note geben Sie dem Bundesrat nach dem heutigen Tag?
Diese Null-Information ist absolut ungenügend. Ich würde dem Bundesrat eine sehr schlechte Note geben. Aufgabe nicht erfüllt.