«Gault-Millau» in der eigenen Küche: Der beste Koch im Aargau macht im Lockdown Hausbesuche

Ein «Gault-Millau»-Koch in den eigenen vier Wänden? Die Coronapandemie macht es möglich. Manuel Steigmeier, von der Gourmetbibel unlängst mit 16 Punkten ausgezeichnet und damit bester Koch im Aargau, bietet in der Krise seine Dienste als Störkoch an.

Normalerweise verzückt der 26-Jährige seine Gäste im Restaurant Fahr in Künten-Sulz. Während des Lockdowns bietet das Restaurant einen Take-away-Service an. Und eben auch, und das ist neu, die Zubereitung von Speisen durch Manuel Steigmeier in den heimischen vier Wänden. «Natürlich alles coronakonform», versichert der Koch.

Die Frau eines Lieferanten wünschte sich Restaurantfeeling

Dazu gekommen ist es durch einen Zufall. «Die erste Anfrage erhielt ich von einem unserer Lieferanten, von der Metzgerei, die uns normalerweise mit ihren Produkten beliefert», sagt Steigmeier. Die Frau des Metzgers feierte ihren 50. Geburtstag und wollte wieder einmal das Restaurantfeeling geniessen: gute Speisen, guter Service, zwischen den Gängen sitzen bleiben und geniessen. Pandemiebedingt im eigenen Zuhause.

Steigmeier überlegte, rechnete alles durch und erstellte eine Offerte. «Es hat offenbar für beide Seiten gepasst», sagt er. Kurz darauf hat er in der Küche seines Lieferanten ein 5-Gänge-Menu auf den Tisch gezaubert. Am nächsten Tag erfuhr eine Kundin in der Metzgerei davon. Ihr Mann stand ebenfalls kurz vor seinem 50. Geburtstag. Und wieder kam der Wunsch auf, den Spitzenkoch am eigenen Herd werkeln zu lassen.

Vielleicht wird das Angebot nach der Pandemie fortbestehen

«Ich habe das jetzt zweimal für jeweils drei Personen gemacht. Es ist eine neue, aber gute Erfahrung», sagt Steigmeier. Offiziell gibt es das Angebot auf der Website des Restaurants zwar nicht, Steigmeier ist aber nicht abgeneigt, zumindest während des Lockdowns weitere Auftritte als Störkoch wahrzunehmen. Er kann sich auch vorstellen, nach der Pandemie, falls es zeitlich passt, für Leute zu Hause zu kochen. Eine Anfrage für den Herbst liege bereits vor.

Das Arbeiten in einer fremden ­Küche sei zwar gewöhnungsbedürftig, «aber privat koche ich ja auch in einer handelsüblichen Küche», sagt Manuel Steigmeier. Der grösste Unterschied:

«Die Sorgfalt, schliesslich will ich in der Küche meines Kunden nichts beschädigen.»

Geschirr, Besteck, Servietten, die notwendigen Kochutensilien und natürlich die Produkte, das alles bringt Steigmeier mit. Am Ende erledigt er sogar den Abwasch. Nur den Wein haben seine Kunden bisher selbst besorgt.

Der Aufwand, für wenige Leute alles hochzufahren, sei verhältnismässig gross. Mit der Vorbereitungszeit und der Präsenzzeit kommen gut und gerne 15 Stunden zusammen. Billig sei das nicht, den grössten Teil mache die Arbeitszeit aus. Die Produkte fallen nur mit etwa einem Fünftel ins Gewicht. Derzeit dürfen sich im privaten Raum maximal fünf Personen treffen. «Sollte die Zahl erhöht werden, würde der Preis pro Menu natürlich lukrativer, denn der Zeitaufwand bleibt in etwa der gleiche, egal ob ich zwei oder zehn Personen bekoche», sagt Steigmeier.

Oft sind es Kleinigkeiten, die grosse Emotionen auslösen

Was er bei seinen Auftritten als Störkoch realisiert hat: «Wie sehr die Leute die Besuche in Restaurants vermissen.» Nur schon das Brotkörbchen auf dem Tisch habe die Leute entzückt und in Erinnerungen schwelgen lassen. Es seien oft Kleinigkeiten, die grosse Reaktionen und Emotionen auslösten.

An eine Öffnung der Restaurants vor Ostern glaubt Manuel Steigmeier indes nicht. Er kann sich vorstellen, dass nach den Feiertagen die Terrassen öffnen dürfen und im Mai auch die Innenräume. «Es ist eine schwierige Situation und es gibt keine perfekte Lösung», sagt der beste Koch im Aargau.

Wirte müssen die «Milchbüechlirechnung» machen

Für ihn ist klar, dass das «Fahr» seine Terrasse öffnen wird, sobald es erlaubt ist. 40 bis 45 Personen bietet sie Platz. Dennoch sei vieles ungewiss. «Lohnt es sich, eine ganze Woche zu öffnen oder nur am Wochenende? Vieles wird vom Wetter abhängig sein. Und am Abend wird es im April zu kalt sein, um auf der Terrasse zu sitzen.» Am Ende müsse jeder Wirt seine «Milchbüechlirechnung» machen, um zu wissen, was sich für ihn lohne.

Mit 16 Punkten bewertet: Manuel Steigmeier und seine Frau Alexandra vom Restaurant Fahr in Künten-Sulz. Bild: Sandra Ardizzone
Mit 16 Punkten bewertet: Manuel Steigmeier und seine Frau Alexandra vom Restaurant Fahr in Künten-Sulz. Bild: Sandra Ardizzone

Das macht ein Störkoch

Ein Störkoch (auch Mietkoch oder Wanderkoch) ist ein Koch, der stunden- oder tageweise in fremden Küchen Speisen zubereitet. Gemeinsam mit dem Koch entscheidet sich der Gastgeber für ein massgeschneidertes Menu. Der Störkoch kauft alle Zutaten frisch ein, bereitet diese in der Auftraggeber-Küche zu, kocht, serviert und hinterlässt am Schluss eine saubere Küche. Vom Catering oder Partyservice unterscheidet sich die Dienstleistung des Störkochs dadurch, dass er keine fertigen Gerichte anliefert. Als Wortherkunft gilt die «Störung» respektive die Unterbedeutung «Zeitabschnitt, Weile».