Gemeinderat Reiden soll Beteiligung am Wärmeverbund Wikon nochmals prüfen
Draussen schneit es und in der Johanniter-Turnhalle friert man an den Füssen. «Muss Reiden so sparen?», fragte jemand an der Gemeindeversammlung; Lachen im Saal. Ansonsten ging es trockener und manchmal ziemlich hitzig zu am Dienstagabend. Es ging hauptsächlich um Zahlen, denn Hauptthema war das Budget 2022 der Gemeinde. Rund drei Stunden dauerte die Versammlung in Reiden, sie ging schon länger. 82 Personen (1,87 Prozent der 4377 Stimmberechtigten) nahmen daran teil.
Gemeindepräsident Hans Kunz verlas zuerst eine Erklärung. Die IG Reiden hatte vorgängig einen Katalog mit 57 Fragen zu fünf Themenbereichen eingereicht. Es sei unmöglich gewesen, diese alle zu beantworten, sagte Hans Kunz und sprach von einer «Zumutung». Die IG Reiden habe es verpasst, ihre Fragen, wie in der Gemeindeordnung vorgesehen, 14 Tage vorher einzureichen.
Zu den Fragen betreffend der Badi Reiden AG sagte Kunz, dass diese im Dezember an einer Pressekonferenz die Bevölkerung informieren werde. Viele Fragen würden im Rahmen der Budgetberatung beantwortet. Der Gemeinderat werde im Sommer 2022 der Gemeindeversammlung seine Strategie vorlegen und ausserdem Parteien und politische Organisationen zu einem Anlass im ersten Quartal einladen. «Der Gemeinderat will die Bevölkerung transparent informieren», sagte der Gemeindepräsident.
«Dies ist erstaunlich», sagte Bruno Aecherli von der IG Reiden zum Vorwurf, dass diese ihre Fragen nicht rechtzeitig eingereicht habe. Die Stabsstelle der Gemeinde habe ein Mail geschickt, die Interessengemeinschaft könne ihre Fragen bis zum 25. November einreichen.
Das neue Legislaturprogramm wird 2022 vorgestellt
Der frühere Gemeinderat Aecherli bestritt ausserdem, dass das Budget überhaupt beraten werden könne. «Es gibt mehrere Positionen, die nicht mit dem 2018 dem Bürger vorgelegten Legislaturprogramm übereinstimmen. Wurde dieses Programm inzwischen geändert?», fragte er.
Hans Kunz erklärte, der Gemeinderat habe die Strategie überarbeitet und das Legislaturprogramm tatsächlich angepasst. Beides werde der Versammlung im Sommer 2022 vorgelegt. Wenn die Versammlung das Budget nicht berate, drohe wieder ein budgetloser Zustand. Dem Votum von IG-Sprecher Markus Schwander, doch im Gemeindegesetz nachzuschauen, wie jetzt vorzugehen sei, wurde nicht stattgegeben. Die Mehrheit der Versammlung wollte das Budget beraten.
Die Schulden bleiben ein Sorgenkind in Reiden
Gemeinderätin Vera Schwizer (Die Mitte) stellte den Anwesenden den Voranschlag vor. Viele Kosten seien nur bedingt beeinflussbar von der Gemeinde, sagte sie. «Die Nettoschuld bleibt ein Sorgenkind», so Schwizer. Eine emotionale Diskussion entbrannte zwischen Bruno Aecherli und der Exekutive um die Höhe von Pensen der Gemeinderäte, wobei sich beide Seiten nicht einigen konnten.
IG-Sprecher Markus Schwander wollte wissen, wie hoch neben den Schulden Reidens (Fremdkapital), die er mit 58 Millionen Franken bezifferte, die «versteckten» oder «impliziten» Schulden von Institutionen im vollen Gemeindebesitz seien. Gemeint ist beispielsweise die Badi Reiden. Vera Schwizer nahm die Frage dankbar entgegen. Sie könne an diesem Abend nicht abschliessend beantwortet werden.
Bruno Aecherli fragte nach dem Erfolg von Sparmassnahmen. «Man kann die Finanzen nicht durch Sparen sanieren», erklärte Gemeindepräsident Hans Kunz. Reiden strebe eine leicht andere Bevölkerungsstruktur an. «Das dauert aber 20 Jahre.» Zudem wolle man mehr wertschöpfungsintensive Unternehmen ansiedeln. «Wir sind dran, können aber keine Wunder bewirken», so Kunz.
Ein Rückweisungsantrag Aecherlis zum Budget wurde zurückgewiesen. Die Gemeindeversammlung stimmte dem Budget 2022 mit einem Aufwandüberschuss von 253 105 Franken, Bruttoinvestitionen von 4 Millionen Franken und einem Steuerfuss von 2,2 Einheiten zu.
Ja gesagt haben die Reider auch mit einer Gegenstimme zur Kündigung des Gemeindevertrags mit Dagmersellen auf 31. Dezember 2022. Der Vertrag regelte die Nutzung der Schiessanlage Wasserloch durch Reider Schützen. Diese wird aber seit 2014 von den Reidern Wehrpflichtigen und Hobbyschützen nicht mehr genützt, weil sie in Richenthal üben können.
Ein kleines Stück Land soll verkauft werden
Ein Geschäft war auch die Überführung einer Teilfläche von 91 Quadratmetern an der Weihermattstrasse vom Verwaltungs- ins Finanzvermögen, die einer Zustimmung der Gemeindeversammlung bedurfte. Die Änderung ist nötig, um die kleine Teilfläche an einen lokalen Landwirt verkaufen zu können, der dieses seit 69 Jahren unentgeltlich pflege und nutze.
«Das ist seit 30 Jahren ein Thema», sagte Gemeinderat Willi Zürcher (FDP). Mit dem Abschluss der Strassensanierung könne das Vorhaben nun realisiert werden. Den Verkaufspreis bezifferte Willi Zürcher auf 264 Franken pro Quadratmeter. Es resultiert ein Erlös von rund 25 000 Franken in die Gemeindekasse. Die Gemeinde behält ein Rückkaufsrecht bis 2045. Die Versammlung stimmte auch diesem Antrag des Gemeinderats zu.
David Jurt, Leiter Bau & Infrastruktur der Gemeinde, informierte ausserdem über die momentane Ausschreibung von Tempo-30-Zonen auf der Homepage von Reiden. Die Dienststelle Verkehr und Infrastruktur des Kantons (vif) habe diese genehmigt, die Ausschreibung sei am 20. November im Kantonsblatt erfolgt. Jurt entschuldigte sich für die Verzögerung. Die Umsetzung von Tempo 30 werde in Kombination mit Bauprojekten geschehen.
Diskussion um Beteiligung am Wärmeverbund mit Wikon
Mitte-Präsidentin Marianne Schärli dankte dem Gemeinderat für seine Arbeit. Danach bat sie diesen, nochmals auf den Entscheid zurückzukommen, sich nicht an der Aktiengesellschaft des Wärmeverbunds Wikon zu beteiligen. Die Basis ihrer Partei habe zur dieser Frage nicht mitgenommen werden können.
«Wir sind offen für Gespräche», antwortete Gemeinderat Willi Zürcher.
Dem Wunsch Schärlis schlossen sich weitere Redner an, so Stefan Hodel, Präsident der Korporation Reiden und der ehemalige Leiter des Feldheims, Urs Brunner. «Aus Solidarität mit den privaten Waldbesitzern sollte man abklären, ob die Gemeinde nicht doch mitmachen will. Das ist eine gute Sache», sagte Brunner. Mit einer Gegenstimme stimmte die Versammlung dem Ansinnen zu. Der Gemeinderat nahm den Antrag entgegen.
Ein Bürger fragte nach Gemeindeschreiber Lukas Liems Verbleib. Laut dem Gemeindepräsidenten ist dieser seit 31. Mai krankgeschrieben. «Er ist auf dem Weg der Besserung. Anfang 2022 werden wir weitersehen», sagte Hans Kunz. Als Interims-Gemeindeschreiber waltet seit 1. Oktober Andreas Kalt, der diese Funktion auch schon in Wikon wahrnahm.
Heute Donnerstag schaltet die Gemeinde Reiden übrigens ihre neue Homepage auf.
Wir sind dran, können aber keine Wunder bewirken.
Hans Kunz
«Der Kanton will diktieren und mit niemanden reden»
Am Schluss der Versammlung gab es Diskussionen über den Hochwasserschutz und die Rolle des Kantons bei der Planung neuer Schutzmassnahmen und der Reparatur von Schäden der Hochwasser im Sommer. Zuständig für den baulichen Unterhalt ist seit 2020 der Kanton.
Willi Zürcher informierte über den Stand der Dinge. Reiden befindet sich im Massnahmenprogramm 2020 bis 2024 des Kantons. «Die Projekte liegen in der Hoheit vom Kanton, sollten jedoch politisch von den Gemeinden mitgetragen werden», erklärte er. Es müssten Lösungen gefunden werden.
Vor den beiden Hochwassern habe Reiden bereits die Zusammenarbeit mit dem Kanton intensiviert. «Die Dienstelle Verkehr und Infrastruktur des Kantons (vif) hat sich laut unseren Informationen mit den Grundeigentümern ausgetauscht und diesen Vorschläge unterbreitet.» Rückhaltebecken seien gemäss Kanton kein Thema, da bei diesem Gelände zuwenig Nutzen und Rückhaltekapazität resultierten.
Beim Projekt «Reiden Ost» unterstützt der Gemeinderat laut präsentierten Folien eine Entlastung in die Aecherligrube. Es laufen Verhandlungen mit dem Grundeigentümer. Für den Feldbach wird eine autonome Lösung gesucht. Beim Projekt «Reiden West» unterstützt der Gemeinderat eine Ableitung in die Wigger. Der Variantenentscheid Kanal oder Flutmulde muss noch gefällt werden. Der hohe Grundwasserspiegel in Langnau und Richenthal sei immer wieder ein Thema. «Es werden weitere punktuelle Anpassungen am Bachlaufs des Dorfbachs sowie bei den Einläufen der Seitenbäche Langnau-Richenthal notwendig sein», heisst es auf einer präsentierten Folie.
Das Thema bewegte einige Bürger aus Richenthal und Langnau. Franz Joller, Landwirt aus Richenthal, meinte: «Der Kanton will eigenmächtig entscheiden und diktieren und mit niemanden reden.» Es sei sinnvoll, die Bachsanierungen vorzuziehen. Er wünsche sich mehr Rückgrat der Gemeindevertreter, um die Anliegen der Bürger beim Kanton vorzubringen. «Das würde viel Leid und Frust vermeiden.»
Die Langnauer Irma Häfliger beschwerte sich, weil ein Schreiben an den Gemeinderat mit vielen Unterschriften nicht beantwortet worden sei. Sie wohne am Dorfbach und habe im Sommer viele Schäden gehabt. Niemand sei vorbeigekommen bei ihr. «Im Brief stand, man solle an der Gemeindeversammlung Auskunft geben. Das haben wir jetzt gemacht», sagte Gemeinderat Willi Zürcher.
Der Bauvorsteher Reidens meinte zum Schluss, man wolle den Kanton bitten, nach Reiden zu kommen und an einem Runden Tisch oder einer Veranstaltung zum Hochwasserschutz zu informieren.