Gewalt ist eine Wurzel des 1. Mai

Ein düsteres Bild unserer Zukunft zeichnete am Samstag Yves Maillard. Der Präsident des Gewerkschaftsbunds (SGB) sagte in einer Liveübertragung zum Tag der Arbeit, die Corona-Pandemie sei eine grosse soziale Katastrophe, die auf dem Buckel der Arbeitnehmenden ausgetragen werde.

In Bern und Zürich gab es derweil unbewilligte Kundgebungen. In Bern liess die Polizei den Umzug trotz zu hoher Personenanzahl gewähren. In Zürich kam es zu Scharmützeln mit der Polizei. Diese stoppte Umzüge mit Gummischrot, wies Demonstrierende weg.

Auch in der Stadt Baden gingen rund 150 Leute auf die Strasse. Mia Jenni von der Geschäftsleitung der Juso sagte dazu: «Es ist wichtig, dass wir Präsenz zeigen – auch unter widrigen Umständen.» Dass nicht nur Transparente mit Parolen besprayt wurden, sondern auch Hausfassaden entlang der Demo-Route dürfte die Besitzerinnen und Besitzer der betroffenen Ladengeschäfte und Restaurants kaum wohlgesonnen gegenüber den Forderungen der Sozialisten und Gewerkschafter gestimmt haben.

Weshalb eigentlich wird der Wonnemonat Mai mit Demonstrationen eingeläutet? Dazu muss man etwas ausholen.

Der 1. Mai war in den USA früher der moving day – quasi ein Zügeltermin –, an dem die Arbeitsstelle oder der Wohnort gewechselt wurde. 1886 nutzte die nordamerikanische Arbeiterbewegung den Tag, um zur Durchsetzung des Achtstundentags einen Generalstreik auszurufen – der am 4. Mai eskalierte. Bei einer Protestkundgebung warf ein Unbekannter eine Bombe, die sieben Polizisten und rund 20 Arbeiter tötete.

Auf dem Gründungskongress der Zweiten Internationalen wurde 1889 zum Gedenken an die Opfer des sogenannten Haymarket Riot der 1. Mai als «Kampftag der Arbeiterbewegung» ausgerufen. 1890 fand der 1. Mai so zum ersten Mal weltweit und mit Massendemonstrationen statt.

In Deutschland und Österreich ist der 1. Mai ein gesetzlicher Feiertag – in der Schweiz nur bedingt. Im Gegensatz zum 1. August ist der 1. Mai kein landesweiter arbeitsfreier Tag. Im Kanton Aargau, ebenso in Bern, Luzern und Schwyz, wird formalrechtlich gearbeitet. Einige Firmen stellen allerdings – oft in Gesamtarbeitsverträgen so geregelt – ihren Betrieb um 12 Uhr ein oder gewähren gar einen freien Tag. Ein gesetzlicher Feiertag wird in den beiden Basel, in den Kantonen Jura, Neuenburg, Schaffhausen, Thurgau, Tessin und Zürich begangen – Solothurn kennt einen halben Feiertag.

Der Zulauf, welchen die sozialistische Arbeiterbewegung an ihren 1.-Mai-Kundgebungen hat, war der katholischen Kirche, die sich ja auch sozial engagiert, ein Dorn im Auge. Papst Pius XII (im Amt von 1939 bis 1958) erinnerte sich Josefs, des Arbeiters. Der Ehemann der Gottesmutter Maria war laut Bibel ein Zimmermann und wurde 1955 zum Patron der Arbeiter berufen, dessen Gedenktag am 1. Mai begangen wird. Apropos katholische Kirche: In den Luzerner Gemeinden Hildisrieden und Schüpfheim wird der 1. Mai als gesetzlicher Feiertag – nämlich als Gedenktag des lokalen Schutzpatrons St. Sigismund – begangen.