
Glück im Unglück: In der Region gab es keine Verletzten durch «Burglind»
Der namenlose Sturm kam in der Nacht
13. Juli 2011
In der Nacht vom 12. auf dem 13. Juli 2011 überraschte eine heftige Gewitterzelle Teile des Aargaus, vor allem aber die Region Zofingen und Teile des Freiamts. Während rund 20 Minuten wütete der Sturm, knickte tausende von Bäumen, deckte Häuser ab und füllte Keller mit Wasser. Bei der Aargauischen Gebäudeversicherung gingen damals über 15000 Schadensmeldungen ein. Die Schadensumme betrug rund 100 Millionen Franken. Alleine an Gebäuden entstand ein hoher zweistelliger Millionenschaden. Der Sturm fällte damals rund 75000 m³ Holz. I Das Unwetter vom 13. Juli 2011 ging ohne Name in die Geschichte ein. Nur Hoch- und Tiefdruckgebiete bekommen einen Namen, Gewitterzellen jedoch nicht. Obwohl das Gewitter im Wald mehr Schaden verursachte als «Lothar» am 26. Dezember 1999, sind die beiden Wetterphänomene nicht miteinander vergleichbar. Während das Gewitter lokal begrenzt und kaum vorhersagbar ist, kann vor einem Sturm wie Burglind schon einige Tage vorher gewarnt werden. Dies weil er sich aus einem Tiefdruckgebiet entwickelt und über grosse Gebiete hinwegzieht. (ran)
Der Wintersturm Burglind, der gestern über Mittag durch die Region fegte, wurde «schlimmer als Lothar» angekündigt. Zum Glück trafen die Vorhersagen nicht ein. Dennoch blieb die Region nicht verschont. Alle regionalen Feuerwehren waren im Einsatz und reparierten bis spät in die Nacht hinein Sturmschäden. Heute wird weitergearbeitet.
Die Stützpunktfeuerwehr Zofingen hatte bis Redaktionsschluss 15 Einsätze zu verbuchen. Kurz nach Mittag wurde sie zur Bottenwilerstrasse gerufen. Umgestürzte Bäume hatten Autofahrern die Weiterfahrt verunmöglicht. «Sie konnten plötzlich weder vorwärts noch rückwärts», sagt Peter Ruch, Kommandant der Stützpunktfeuerwehr. Unverletzt und dank vereinten Kräften konnten die Personen aus der misslichen Lage gerettet werden. «Aus Sicherheitsgründen bleiben die Strassen über den ‹Bottenwiler› und den ‹Bottenstein› vorläufig geschlossen», sagt Ruch weiter. Die Forstmitarbeiter sind mit Hochdruck an der nicht ungefährlichen Räumungsarbeit. Die Feuerwehr war hauptsächlich mit Reparaturarbeiten an Dächern beschäftigt. So mussten verschiedene Notdächer montiert werden. Erneut auch auf der Stadtkirche, wo sich auf beiden Seiten des Daches mehrere Biberschwanzziegel lösten und teilweise zu Boden fielen. «Wir wurden mit der Drehleiter aber auch nach Bottenwil und Wiliberg gerufen », so Ruch. Er rechnet damit, dass die Reparaturen aller Dächer noch einige Tage in Anspruch nehmen werden. «Wir können nicht überall gleichzeitig sein und bitten um Verständnis.»
Ein Notdach fürs Waldhaus
Einige abgedeckte Dächer und umgestürzte Bäume – die Feuerwehr Rothrist stand gestern ebenfalls an verschiedenen Orten im Einsatz. 25 Mitglieder halfen, die Sturmschäden zu beseitigen. So musste ein Notdach für das Waldhaus erstellt werden. Der Fröschenthalweg bleibt wegen umgekippter Bäume bis auf Weiteres gesperrt. Wieder befahrbar ist dagegen die Eggasse in Rothrist. Hier hätte gestern die mehrtägige Fällaktion von kranken Bäumen gestartet werden sollen (siehe Ausgabe von gestern). Diese verschiebt sich nun, denn die Beseitigung der Sturmschäden haben Priorität. «Der Sturm Burglind ist mit Lothar nicht zu vergleichen», sagt Hansueli Weber, Feuerwehrkommandant Rothrist.
Der Jahrhundert-Orkan Lothar fegte am 26. Dezember 1999 über die Schweiz und fällte im Aargau 1,3 Millionen Kubikmeter Holz. Wie viele Kubikmeter der gestrige Sturm in Rothrist, Strengelbach und Zofingen gefordert hat, konnte Ernst Steiner, Leiter Forstbetrieb Region Zofingen, noch nicht in Zahlen beantworten. «Es hat Schäden gegeben, aber sicher nicht wie vor 18 Jahren bei Lothar.»
Zwei bis drei Tage brauchen Steiner und sein neunköpfiges Team, um sich einen Überblick zu verschaffen. 1705 Hektaren Wald umfasst der seit 2000 zusammengeschlossene Forstbetrieb Region Zofingen. Dies entspricht einer Grösse von 2388 Fussballfeldern. «Wir bitten um Geduld, denn die Beseitigung von umgestürzten Bäumen ist gefährlicher als das planmässige Baumfällen. Hier braucht es Fachpersonal und den entsprechenden Maschinenpark », sagt Ernst Steiner. Erfreulich sei die Zusammenarbeit, die zwischen Feuerwehren und Forstbetrieb immer sehr gut funktioniere. Gestern zeichnete sich gegen Abend ab, dass nebst der Bottenwilerstrasse, der Bottensteinerstrasse auch die Alte Bühnenbergstrasse in Oftringen gesperrt bleiben muss.
Geknickte Bäume im Quartier
Bis spätabends war auch die Feuerwehr Oftringen im Einsatz. Rund 35 Schadenmeldungen gingen beim neuen Kommandanten Fernando Volken und seinem 30-köpfigen Team ein, in den meisten Fällen waren Bäume auf Häuser, Gegenstände oder Strassen gestürzt. «Ein eigentliches Sturmzentrum war nicht zu erkennen», berichtet Kommandant Volken, «die Schäden waren quasi über ganz Oftringen und Küngoldingen verteilt.» Bei mindestens fünf Häusern riss der Sturm Löcher in die Dächer, die mit Notfallabdeckungen vor dem anhaltenden Regen geschützt werden mussten. Bei einem Haus wurden auch die Dachfenster eingeschlagen. Auch das Haus von Alt-Vizeammann René Wullschleger wurde von einer umgestürzten langen Tanne in Mitleidenschaft gezogen. Bei der Raiffeisenbank im Zentrum riss der Sturm zwei grosse Weihnachtsbäume um. Bei der amag musste die Feuerwehr eine kaputte Werbebeschriftung entfernen, weil sonst Passanten hätten verletzt werden können.
Beim Fachmarkt Süd kippte der Sturm auch den bei Töfffahrern beliebten Snackstand zur Seite und zerfetzte das dazugehörende Zelt. Dem Besitzer standen beim Zusammenräumen die Tränen in den Augen.
Das Waldgebiet Küngoldingen (Stampfistrasse, Alte Bühnenbergstrasse) blieb längere Zeit unpassierbar. Zudem suchte die Feuerwehr Oftringen wegen möglicher Stau- und Überschwemmungsgefahr präventiv den Dorfbach ab.
Born als «Windschutzschild»
In Aarburg begrub ein Baum an der Strickereistrasse ein Auto unter sich. Verletzt wurde dabei niemand, wie Feuerwehrkommandant Martin Ryser berichtet. Der Born als «Windschutzschild» habe das Städtli vor noch Schlimmerem bewahrt. Gleichwohl: An mehreren Orten kam es zu Schäden, von Mittag bis zirka 14.40 Uhr stand die Feuerwehr Aarburg mit zirka 20 Leuten im Einsatz. Unter anderem wurde an der Brodheiteristrasse ein Kinder-Spielhaus von einem Baum zerdrückt, an der Zimmerlistrasse fiel ein weiterer Baum auf ein Hausdach und auch bei der Webipark-Baustelle, an der Frohburgstrasse und der Zimmerlistrasse riss der Sturm mehrere Bäume zu Boden. Der Bereich Firma Domotec bis Bahnhofkreisel blieb für rund zwei Stunden gesperrt.
Auf dem Campingplatz Wiggerspitz verschob «Burglind» eine ganze Reihe Wohnwagen, einer kippte gar Richtung Badiplatz und erlitt Totalschaden. Die massiven Steinpfähle bohrten sich durch die dünnen Wände des Wohnwagens.
Die Strengelbacher Feuerwehr war vor allem mit umgeknickten Bäumen beschäftigt. «Wir waren an vier Einsatzorten unterwegs», sagt Kommandant Marcel Kunz. Besonders betroffen war der Weissenbergweg, der für die Räumungsarbeiten vorübergehend gesperrt werden musste. Eine umstürzende Tanne beschädigte dort zudem das Dach eines Wohnhauses. Die Feuerwehr installierte ein Notfalldach.
Die Feuerwehr Brittnau stand mit rund 15 Personen im Einsatz. «Wir mussten mehrere umgestürzte Bäume beseitigen», sagt Kommandant Boris Tellenbach. Betroffen waren vor allem Waldstrassen. Ein Waldgebiet habe es relativ stark getroffen. Dort ist das Forstamt noch mit der Räumung der Bäume beschäftigt. In Vordemwald waren an mehreren Orten Bäume über die Strassen gestürzt. Die Langenthalerstrasse musste für Räumungsarbeiten gesperrt werden. «Zu Personenschäden kam es zum Glück nicht», sagt Roman Nöthiger, Kommandant der Feuerwehr Vordemwald. Gebäude seien keine beschädigt worden.
Strommasten umgeknickt
Viel zu tun hatte auch die Feuerwehr Murgenthal: 17 Einsätze musste sie wegen «Burglind» leisten. Auf dem ganzen Gemeindegebiet mussten umgestürzte Bäume beseitigt werden. Die Aarburgerstrasse blieb vorübergehend gesperrt. «Zwei Häuser trugen leichte Beschädigungen davon», sagt der Kommandant Christoph Odermatt. Stellenweise kam es zu Stromunterbrüchen, weil Strommasten umgeknickt waren.
Auch die Bahnstrecken zwischen Zofingen und Suhr sowie Zofingen und Olten wurden in Mitleidenschaft gezogen. Es kam zu mehreren Ausfällen und grossen Verspätungen.
Der Sturm tobte ab 11.30 Uhr rund 30 Minuten und erreichte Geschwindigkeiten zwischen 80 und 120 km/h. «Die Schäden sind in etwa so, wie wir sie erwartet haben», sagt René Müller, Einsatzleiter und Stabschef des kantonalen Führungsstabs des Kantons Aargau.
von Raphael Nadler, Emiliana Salvisberg, Patrick Furrer und Caroline Kienberger