
Haben Sie übertrieben mit Ihren düsteren Prognosen für Restaurants, Herr Lustenberger?
Nächsten Montag dürfen die Restaurants wieder öffnen: Drinnen mit Vierer-, draussen mit Sechsertischen. Und auch Veranstaltungen, etwa Hochzeiten oder Geburtstage, dürfen mit bis zu 50 Personen im Restaurant durchgeführt werden. Die Maskentragpflicht am Tisch wird zudem aufgehoben.
Sind Sie zufrieden mit den Lockerungen?
Bruno Lustenberger: Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Über die Vierertische drinnen sind wir zwar nicht happy, aber immerhin passiert etwas. Was ich nicht begreife: Wieso macht man draussen Sechsertische? Man hätte auch 20 machen können. Privat sitzen die Leute ja auch so zusammen.
Auch Veranstaltungen wie etwa Hochzeiten dürfen Restaurants wieder durchführen. Hilft Ihnen das?
Kaum. Bankette zum Beispiel werden nicht funktionieren. Denn einen schönen Tisch für viele Leute zu decken, ist wegen der Vierer-Regel eben gerade nicht möglich. Ausserdem wurden alle Anlässe abgesagt. Es wird noch Monate dauern, bis das wiederkommt. Ein anderes Problem sind die Touristen, vor allem die Geschäftstouristen: Diese werden vorläufig nicht kommen. Es wird wohl Ende Jahr werden, bis wieder alles einigermassen normal läuft.
Es wurde auch darüber diskutiert, ob am Tisch Masken getragen werden müssen. Der Bundesrat hat sich nun dagegen entschieden.
Diese Regel war ein Witz. Ob jetzt jemand keine Maske trägt oder nur dann nicht, wenn er isst: Die Ansteckungsgefahr ist genau gleich da. Es ist sehr gut, hat der Bundesrat das gestrichen. Jetzt passiert endlich etwas. 160 Tage lang hatten wir geschlossen. Zumindest können wir jetzt wieder arbeiten.
Werden die Gäste wieder kommen?
Ja. Die Leute wollen wieder ins Restaurant.
Diese Woche wurde bekannt: Nur die Hälfte aller Aargauer Gastrobetriebe hat überhaupt Finanzhilfen beantragt. Wieso?
Man muss berücksichtigen: In dieser Kategorie ist sowohl das Hotel mit hundert Angestellten wie auch die Ein-Mann-Dönerbude enthalten. Viele Take-away-Betriebe waren von der Krise gar nicht betroffen. Auch Kantinen von Firmen oder Restaurants von Heimen werden hier mitgezählt, die zum Teil nicht ganz so stark betroffen waren. Und dann gab es Betriebe, die anders unterstützt wurden: etwa von ihren Vermietern. Und schliesslich gab es auch Betriebe, die keine Unterstützung beantragen wollten oder konnten.
Wie viele Betriebe werden der Krise zum Opfer fallen?
Das ist schwer zu sagen. Wirte geben nicht so schnell auf, sondern beissen sich durch. Entscheidend ist, was jetzt passieren wird. Ob das Geschäft wieder anzieht. Ich habe schon von einigen gehört, die geschlossen haben oder noch schliessen werden. Doch wie viele es sind: Das kann ich noch nicht sagen.
Im Dezember sagten Sie, jedem dritten Restaurant droht der Konkurs. So schlimm wird es aber nun doch nicht, oder?
Nein. Aber nur dank dem, dass wir im richtigen Kanton sind. Der Aargau hat viel und schnell geholfen. Das haben wir unserer Regierung zu verdanken. Es gibt andere Kantone, dort ist die Lage sehr, sehr schwierig.
Haben Sie mit Ihrer düsteren Prognose im Dezember übertrieben?
Nein, die Lage war wirklich ernst. Ich hatte Anrufe von Wirten, die sagten, sie würden Suizid begehen, weil sie nicht mehr weiterwussten. Was sagt man da? Wir haben zum Glück ein gutes Netzwerk und konnten vielleicht Schlimmeres verhindern. Aber es gibt immer noch Wirte, die sehr schlimm dran sind.
Was haben Sie getan, wenn jemand mit so etwas anrief?
Eine Pfarrerin der Landeskirchen arbeitet mit uns zusammen. Wir konnten diese Fälle an sie oder andere Stellen abgeben. Wir sind zum Glück ziemlich gut organisiert und können innert Minuten Hand bieten. Als ich vor fünf Jahren Präsident von GastroAargau wurde, sagte ich: Wozu brauche ich eine Pfarrerin? Das werde ich nie mehr sagen. Sie hat auch mir persönlich geholfen, wenn ich am Limit war. Denn wenn man den ganzen Tag nur negative Dinge hört, bekommt man selbst Probleme.
Dann wird die Situation dank der Lockerungen auch für Sie persönlich einfacher?
Ja, und das brauche ich. Wenn man weiss, wie es manchen Wirten ging, geht das einem auch persönlich nahe. Ich habe persönlich unter der Situation gelitten. Und deshalb hat mein Umfeld unter mir gelitten. Ich war teilweise unausstehlich. Für mich ist es nun wichtig, nach vorne zu schauen. Ich freue mich, mit den Wirten ein Glas Wein trinken zu können, statt Probleme lösen zu müssen.