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Wodka zum Frühstück, Kaviar und Hühner im Flugzeug: Die kuriosen Europa-Reisen der Handballer aus Suhr

Der HSC Suhr Aarau ist wieder auf Europacup-Reise. Am Donnerstag machte sich der Tross auf gen Slowenien, in das rund 900 Kilometer entfernte Ormoz, wo am heutigen Samstag (ab 18 Uhr) das Rückspiel im EHF European Cup stattfindet. Die Chancen auf ein Weiterkommen stehen gut: Zu Hause gewann Suhr Aarau mit 31:27.

Am vergangenen Sonntag legten Manuel Zehnder & Co. gegen Jeruzalem Ormoz vor – können sie im Rückspiel den Einzug in die 4. Runde klar machen?

Der derzeitige europäische Lauf mag für die heutige Equipe des HSC speziell sein, doch Partien auf internationaler Platte sind in der Klubhistorie kein Novum. Ab der Jahrtausendwende, als das Meisterschaftsdouble (1999 und 2000) gelang, war der Verein über mehrere Jahre hinweg Stammgast in zahlreichen EHF-Wettbewerben. Zwei, die in dieser Zeit dabei waren, erinnern sich genau an die abenteuerlichen Reisen: Claudio Boccarelli und Michael Conde.

Saison 1999/2000: Feurige Kroaten und klappernde Flugzeugsitze

Claudio Boccarellis handballerisches Handwerk ist das Torhüterspiel. 1999 wechselte der aus dem Surbtal stammende Boccarelli zum TV Suhr, wie der Klub damals hiess. Die frisch gekürte Meistermannschaft hatte sich gerade für die Champions League qualifiziert. Kein Wunder, dass dies auf den jungen Boccarelli, noch keine 23 Jahre alt, Eindruck machte. «Höhepunkt war das Auswärtsspiel in Zagreb», sagt er. «In einem Eishockeystadion spielten wir vor 6000 fanatischen Fans.»

Claudio Boccarelli hütete im Aargau auch für den TV Endingen und den SC Siggenthal das Tor.

Von den Gepflogenheiten der bereisten Länder hätten er und seine Kollegen meist nicht viel mitgekriegt, sagt Boccarelli. «Du siehst das Hotel und die Halle, das war’s.» So bleiben Boccarelli nebst den Spielen besonders die Reisen an sich in Erinnerung.

Nicht immer waren diese frei von Bedenken: «Im selben Herbst spielten wir in Saporoschje, in der Ukraine. Wir flogen nach Kiew, von dort nahmen wir einen Inlandflug. Das war eine Propellermaschine. Das Gepäck haben wir über uns in Ablagen verstaut, die anstelle eines Deckels nur Netze hatten. Die Sitze haben ständig geklappert. Als sicherheitsbewusster Schweizer begibst du dich da auf ungewohntes Terrain.»

Saison 2000/2001: Der Flug nach Moskau war erst der Anfang

Es ist fast, als hätte Michael Conde nur darauf gewartet, die Geschichte zu erzählen. Zu vermuten ist, dass er sie schon hundertfach zum Besten gegeben hat. Vor rund 20 Jahren bekleidete der jetzige HSC-Sportchef die Position des Teammanagers und machte, wie er betont, «jede Reise mit». Aus dem reichen Fundus an Erfahrungen wählt Conde eine Episode, die sich am Kaspischen Meer zutrug.

Michael (genannt Mike) Conde ist heute Sportchef beim HSC Suhr Aarau.

In der Saison 2000/2001 hatte sich der TV Suhr erneut für die Champions League qualifiziert. An den Türken aus Ankara war in der zweiten Runde kein Vorbeikommen. Doch wie es der damalige Modus wollte, rutschte der Verlierer automatisch in den EHF-Cup ab. Dort bescherte das Los den Suhrern eine Reise ins südrussische Astrachan.

Die Schiedsrichter flogen mit den Suhrern mit

«Um 6 Uhr früh sind wir von Suhr los, um kurz nach Mitternacht haben wir im Hotel in Astrachan eingecheckt», sagt Conde. Erst flog die Mannschaft nach Moskau und nahm im Anschluss eine dreistündige Busfahrt durch die Stadt auf sich, um vom internationalen zu einem regionalen Flughafen zu kommen. Dort wartete ein Flugzeug der sowjetischen Marke Tupolew. Die Fenster seien kreisrund gewesen, «wie im Schiff», erzählt Conde. «Ich sass auf dem Platz 1A, das weiss ich noch ganz genau. Neben mir war eine Frau, die hatte in einem Käfig Hühner dabei.»

Auf dem vierstündigen Flug zugegen waren auch die beiden dänischen Schiedsrichter, die das Spiel leiten sollten. Zuvor hatten sie bei Conde angerufen. Sie hätten keinen Flug mehr nach Astrachan gefunden, sagten sie und fragten, ob sie sich den Suhrern anschliessen dürften. Conde willigte ein und inkludierte die Schiedsrichter in das Gruppenvisum. Das Geld für Flug und Visum liess er sich im Beisein eines Vertreters von Dynamo Astrachan und eines EHF-Delegierten auszahlen. «Ich wollte mir auf keinen Fall Korruption vorwerfen lassen müssen», sagt Conde.

Wissenswertes über Kaviar

Im bitterkalten Astrachan kam die Mannschaft des TV Suhr auch in den Genuss einer Sightseeing-Tour, die vom gastgebenden Verein organisiert wurde. Die Gruppe lernte unter anderem, dass das Gros des weltweit verzehrten Kaviars von Stören aus der Region stammt.

Nur an russischen Kaffee hat Conde keine guten Erinnerungen – genauer gesagt: gar keine. «Als wir einen Kaffee trinken wollten, hat man uns nur Wodka angeboten.» Gestärkt hat die Spirituose die Schweizer nicht: Sie verloren mit 20:24 und schieden aus.

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