Hannes Hurter: «Wir haben nur die Herbstrunde geplant»

Die erste Welle der Coronakrise ist vorbei, wie lautet Ihr Fazit?
Hannes Hurter: Die bisherige Krise hat uns alle durchgeschüttelt. Die Gesundheit der Menschen steht für uns alle im Vordergrund, auch wenn die Zeit ohne Meisterschaft, ohne Cupspiele und ohne Trainings für alle Fussballbegeisterten sehr schwierig war. Beim Verband haben wir gleich reagiert und einen Krisenstab gebildet. Wir wollten für die Vereine da sein. Es gab viele verunsicherte Funktionäre, die sich an uns gewendet haben, vor allem wegen finanziellen und rechtlichen Anliegen. Grundsätzlich haben wir viel Dankbarkeit gespürt.

Sind Sie zufrieden damit, wie Verband und Vereine mit dieser aussergewöhnlichen Situation umgegangen sind?
Fussballer sind sich gewohnt, dass man sich auf dem Sportplatz trifft. Entsprechend war die Kommunikation untereinander während des Lockdowns die grösste Herausforderung. Wir haben die Vereine so rasch wie möglich mit den wichtigsten Informationen und Hilfestellungen rund um das Coronavirus versorgt. Was mich sehr freut, ist, dass innerhalb der Klubs viel Solidarität zu erkennen war. Beispielsweise haben die meisten Trainer auf ihren Lohn verzichtet.

Verband und Vereine hat die Krise auch finanziell herausgefordert. Wie gross ist der Schaden beim AFV?
Trübsal blasen ist keine Option, alle sind hier gefordert, wir müssen Lösungen finden. Ein Schaden ist da, uns fehlen wegen des abgebrochenen Spielbetriebs Einnahmen von rund 200000 Franken. Der AFV unterstrich seine Solidarität mit den Aargauer Fussballvereinen, indem sämtliche Mannschaftsgebühren für alle Klubs für die neuen Saison erlassen wurden, um finanziell Unterstützung zu geben. Wir haben auf diverse Anlässe verzichtet, um die Ausgaben klein zu halten.

Der Saisonstart beginnt an diesem Wochenende, allerdings ist die Gefahr noch lange nicht vorbei. Welche Herausforderungen kommen auf den Verband zu?
Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben. Das Wichtigste ist, dass Abstands- sowie Hygieneregeln konsequent eingehalten werden. Als Verband müssen wir in der Terminplanung flexibler sein als üblich. Wir sind uns bewusst, dass die Saison jederzeit abgebrochen werden kann.

Gehen Sie davon aus, dass die kommende Saison zu Ende gespielt werden kann?
Wir haben vorerst nur die Herbstrunde geplant. Wenn wir danach noch spielen dürfen, planen wir in der Winterpause den Rest der Saison. Wir setzen uns die Ziele etappenweise.

Hygienemassnahmen und Schutzkonzepte sind im Amateurfussball schwieriger umzusetzen als bei den Profis. Vereine müssen enorm viel Selbstdisziplin an den Tag legen. Bereitet Ihnen dies Sorgen?
Ohne diszipliniertes Verhalten schaffen wir es nicht durch diese spezielle Zeit. In den letzten Tagen besuchte ich etliche Trainingsspiele und war erfreut, wie vorbildlich die Vereine die Situation meistern mit Führen von Präsenzlisten im Eingangsbereich, Einzeichnen von Mindestabständen, Anweisungen via Speaker-Durchsagen und Aufstellen von BAG-Plakaten. Für das Kickoff-Spiel Suhr gegen Gränichen wurde ein spezielles Schutzkonzept erstellt, damit der erwartete grosse Besucherandrang bewältigt werden kann und alle Zuschauer das Spiel mit einem guten Gefühl besuchen können.

Gibt es Massnahmen, um die Klubs und Spieler noch mehr zu sensibilisieren?
Wir werden immer wieder darauf hinweisen, dass die Gefahr noch lange nicht vorbei ist und wie wichtig die Regeln sind. Besonders appellieren wir an die Trainer, Spieler und Funktionäre, Eigenverantwortung zu übernehmen. Ich kann zwar nicht meine Hand ins Feuer legen, dass sich alle vorbildlich verhalten werden, aber ich bin guter Dinge, dass wir das gemeinsam meistern können.

Was passiert, wenn eine ganze Mannschaft aufgrund eines Coronafalls in Quarantäne muss? Gibt es da klare Pläne oder wird das von Fall zu Fall beurteilt?
Wenn die Kantonsärztin für ein ganzes Team Isolation und Quarantäne veranlasst, werden wir die entsprechenden Spiele neu ansetzen. Einzelne Spiele zu verschieben ist für uns als Verband noch nicht problematisch – schwieriger wird es, wenn wir ganze Spielrunden neu ansetzen müssten.

In der 2. Liga AFV kommt es zur einer 15er-Gruppe, da sich der FC Wettingen aus finanziellen Gründen freiwillig aus der 2. Liga inter zurückgezogen hat. Werden sich solche Fälle häufen?
Es ist klar, dass sich die Vereine in Zukunft vermehrt Gedanken um ihre Finanzen machen werden. Ich bin überzeugt, dass die Juniorenförderung durch die Coronakrise an Stellenwert zulegen wird, weil es ein nachhaltigeres und günstigeres Konzept ist, als eine zusammengekaufte Mannschaft zu stellen. Am Ende des Tages wünschen wir uns beim AFV Vereine, die grossen Wert legen auf die Juniorenförderung und vor allem den gesellschaftlichen und sozialen Aspekt beim Fussball in den Vordergrund setzen.

Die Coronakrise bringt neben schönem Rasen auch noch andere positive Aspekte hervor: Fans besinnen sich zurück zu den ehrlichen Werten des Sports. Kann man von einem Momentum für den Amateurfussball sprechen?
Wir spüren grosse Lust auf Amateurfussball. Viele Vereine hatten zuletzt überdurchschnittlich viele Zuschauer in den Testspielen. Entsprechend kann man von einem Momentum sprechen, aber wir würden uns wünschen, dass es nicht nur eine Phase ist. Wir unterstützen unsere Vereine beispielsweise auch bei der Errichtung von neuen Sportplätzen. Viele Vereine bräuchten einen Kunstrasenplatz, damit mehr Junioren aufgenommen werden können, die lokalpolitischen Prozesse dafür dauern jedoch sehr lange. Da wollen wir mehr Druck ausüben, im Aargau stehen geschätzt über 1000 Kinder auf einer Warteliste eines Vereins. Diesen Umstand wollen wir nicht weiter hinnehmen.

Wenn Sie auf die kommende Saison blicken, auf was freuen Sie sich besonders?
Der Fokus liegt momentan ganz auf dem Saisonstart. Wie gesagt hoffen wir, dass wir die Vorrunde einigermassen geordnet über die Bühne bringen können. Falls gespielt werden kann, freue ich mich nebst dem Kickoff-Spiel auch auf viele Derbys und Spitzenspiele in der 2. Liga AFV, die sportlich wohl so viel Spannung verspricht wie schon lange nicht mehr.

Die Unsicherheit ist auch für die Teams ein schwieriger Umstand. Was raten Sie den Vereinen?
Es ist für alle Beteiligten eine schwierige Situation, dafür sollte man einfach Verständnis haben. Wir können keine Sicherheiten bieten für die Klubs. Wir sind uns bewusst, dass es entsprechend schwierig ist, sich Ziele zu setzen, aber wir sitzen nun mal alle im gleichen Boot. Für uns geht es auch darum, dass man in diesen besonderen Zeiten Perspektiven schafft und versucht, die Saison so gut wie möglich über die Bühne zu bringen.

Zur Person


Hannes Hurter ist seit 2009 beim Aargauischen Fussballverband (AFV) tätig, zunächst in ehrenamtlicher Tätigkeit als Medienchef und Beisitzer im Verbandsvorstand, seit 2015 als vollamtlicher Geschäftsführer. Er leitet die AFV-Geschäftsstelle in Aarau und organisiert den Fussballbetrieb in einem der grössten Kantonalverbände mit den Mitarbeitern Jonas Manouk (Kommunikation und Schiedsrichterwesen), Käru Born (Technischer Leiter) und Mauro Koch (Spielbetrieb). Zusammen mit Luigi Ponte (Präsident) und Armando Granzotto (Vizepräsident) bildet Hurter die AFV-Geschäftsleitung. Der studierte Diplom-Betriebsökonom wohnt in Wettingen und spielt bei den «Senioren 30+» des FC Brugg. Zu seinen Hobbys zählen Badminton, Pingpong und Jazz-Piano.

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