Heirat oder Hot Tub statt Heim?

 

Gross- und Gemeinderätin Martina Bircher möchte Jugendheim zu Tourismusattraktion machen

Martina Bircher träumt von Wellness, Holzbadebottichen, grossen Seminartagungen oder gediegenen Hochzeiten. Es gebe jedenfalls bessere Möglichkeiten für die Festung als die Nutzung als Heim für schwererziehbare und straffällig gewordene Teenager. «Wieso müssen diese Jugendlichen ausgerechnet am schönsten Ort von Aarburg, im Wahrzeichen unserer Stadt wohnen», sagt die SVP-Politikerin. Der Kanton – so liest es sich zumindest zwischen den Zeilen – verschwende als Eigentümer Ressourcen und verschenke Potenzial. Birchers Idee: Die Anstalt schliessen und die Burg zum Touristen-Hotspot machen. Heute sind kulturelle Nutzungen nur bedingt möglich, auch wenn Führungen angeboten werden und jährlich ein Weihnachtsmarkt stattfindet. Auch Andrea Portmann, Chefin von Aargau Tourismus, berichtet, dass immer mal wieder Reisende nachfragen, ob die Festung zu besichtigen sei, was jedes Mal verneint werden müsse. Grundsätzlich sei eine touristische Nutzung der Festung sicher «eine tolle Idee».

Martina Bircher hat gestern zur Idee der Umnutzung im Grossen Rat eine Interpellation eingereicht. Darin fragt sie unter anderem, ob der Regierungsrat sich vorstellen könnte, die Festung anderweitig zu betreiben oder gar zu verkaufen. Auch die hohen Kosten für den Steuerzahler und die Sicherheitsstandards im Jugendheim will sie genauer beleuchtet haben. «Es liegt ein Potenzial brach, das man nutzen könnte. Mit positivem Effekt für Gemeinde, Region und Kanton.» Die Regierung nimmt aktuell aufgrund des hängigen Geschäfts noch keine Stellung.

Keine wirklich neue Idee
Neu ist die Idee einer Umnutzung jedenfalls nicht. Gemäss Heimleitung gab es derartige Diskussionen schon öfter. In den 90er-Jahren war das Potenzial der Festung als Ort für Kultur oder Tourismus gar Thema für Studenten der ETH Zürich. Heimdirektor Hans Peter Neuenschwander ist daher auch nicht beunruhigt. Auch Ideen für eine Privatisierung der Anlage habe es seit der Gründung des Jugendheimes immer wieder gegeben.

Bircher führt aber noch einen zweiten Grund ins Feld, warum eine Umnutzung sinnvoll sein könnte: Aufgrund des geänderten Jugendstrafrechts sei eine Abnahme an stationären Strafen zu verzeichnen. Stichwort: Überkapazität. Wenn es im Jugendstrafvollzug leere Betten gibt, werde unnötig Geld ausgegeben. Wenn der Kanton den Sparnagel irgendwo einhämmern wolle, warum nicht beim Jugendheim.

Keine einfache Rechnung
Erziehungsanstalten in der Schweiz haben es tatsächlich schwer. Aufgrund einer guten Nachricht, denn: Die Jugendkriminalität nimmt signifikant ab. Die Folge ist, dass Jugendgefängnisse und Heime geschlossen werden. Recherchen zeigen, dass sich die Zahl der stationären Unterbringungen auch in Aarburg in den letzten sechs Jahren drastisch reduziert hat. Gleichwohl soll es in der Festung keine ungenützten Räume geben. Bircher wiederum schliesst nicht aus, dass die Liegenschaft auch für einen Privatinvestor interessant sein könnte.

Sicher ist: Eine Umnutzung wäre kein simples Unterfangen. Gegenüber TeleM1 sagte Hans-Ruedi Hottiger, Präsident des Regionalverbands Zofingenregio, eine Umnutzung könne der Region zwar nützen. Fraglich sei jedoch, wie ein Betreiber auf genügend Einnahmen kommen sollte. Ausserdem müssten die derzeit 38 Jugendlichen (insgesamt hat das Heim 47 Plätze) an einem anderen Ort untergebracht werden. Diesen sicherheitstechnisch aufzurüsten wäre gemäss Lilian Studer, Präsidentin der Justizkommission im Grossen Rat, «eine sehr teure Angelegenheit».

Dass Umnutzungen nicht immer eine Verbesserung bringen, zeigte sich unlängst im Kanton Bern. Das Jugendheim Prêles am Bielersee wurde per Ende 2016 wegen Unterbelegung geschlossen – um es zu einer Einrichtung für Asylbewerber und Ausschaffungshäftlinge zu machen.