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Historisches Gemäuer sucht Mieter

Ein paar Krallen der Bärentatze sind noch erkennbar, darunter der rote Grund. Mehr ist vom Berner Wappen nicht mehr übrig, das einst an die Aussenmauer des Hochstudhauses von 1558 gemalt wurde. Diese Verblassung durfte geschehen, denn mit dem Ende der Berner Herrschaft vor 200 Jahren verloren die Bauten des Stadtstaates Bern ihre ursprüngliche Verwendung.

Was Bauherr David Wälchli aber nicht geschehen lassen wollte, war der Zerfall dieses historisch wertvollen Bauernhauses am Mühleweg. Er zog deswegen gar nach Staffelbach. 2015 kaufte er das Gebäude und liess es unter Denkmalschutz stellen. In den Folgejahren restaurierte und rekonstruierte er die Gebäudehülle und das Innere in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege (ZT vom 3.8.2018). Später wurde der Mittelteil zu einem Atelier ausgebaut.

Energieansprüche des 21. Jahrhunderts

Jetzt geht es an das letzte Stück: den hintersten Gebäudeteil, der ab 1920 als Kuhstall benutzt wurde und wo oben zur Zeit der Berner eine Herrenstube mit einem Getreidespeicher eingerichtet war. Das Erdgeschoss wird zu einem Atelier (unten) und einer weiteren Wohnung (oben) ausgebaut. Diese wird nach Fertigstellung vermietet. Mehrere Spezialhandwerker für historische Bauten begutachten an jenem Nachmittag das Objekt, auch mit dem Energieberater hat sich Wälchli schon getroffen. Die Kunst ist, bei energierelevanten Elementen wie Fenstern eine Lösung zu finden, die zum alten Bau passt und gleichzeitig den Energiesparansprüchen des 21. Jahrhunderts entspricht.

Hochstudhäuser mit ihrem charakteristisch hohen und steilen Dach sind zerleg- und wieder aufbaubar. Die Bauersfamilie aus dem früheren Jahrhundert konnte mitsamt der Behausung an einen Standort ziehen, von dem sie sich bessere Voraussetzungen versprach. Tatsächlich sei das Staffelbacher Haus im Jahr 1744 zerlegt und neu aufgerichtet worden, sagt David Wälchli. Verschoben wurde es allerdings nicht. Mittels der dendrochronologischen Altersbestimmung konnte nachgewiesen werden, dass das Bauholz vor Ort wieder aufgerichtet wurde. Bis heute bildet ein mächtiger Eichenständer von 1558 die Gebäudedecke.

Vor 100 Jahren auf Milchwirtschaft umgestellt

Der Bauherr kommt ins Schwärmen, wenn er über die Details am Haus spricht, die über die Absichten und den zeitlichen Hintergrund jener Menschen Auskunft geben, die es vor 100 oder 200 Jahren bewohnt hatten. «Die Backsteinmauer des Kuhstalls ist ein Relikt aus den 1920er-Jahren», sagt er, als er in den ehemaligen Stall führt. Viele der Besitzer aus vergangener Zeit hatten keine Wahl – Nutzen kam vor Ästhetik. Backsteine waren praktischer als eine Holzverkleidung, die wegen des Stalldampfs schnell verfaulen würde. Damals wurde von Getreide- auf Milchwirtschaft umgestellt. Der Dachboden, auf dem zuvor Korngarben gelagert wurden, verlor seinen ursprünglichen Zweck und wurde zur Heubühne.

Ohne Zweifel wohlhabend waren die allerersten Bewohner des Hochstudhauses. Der herrschaftliche Stil mit der Mischung aus Holzfassade und gemauertem Teil lässt darauf schliessen. Den damals angesagten Stil der Spätrenaissance strahle die Fassade des Stockes bis heute aus, erklärt Wälchli. Wie schon beim Umbau der anderen Hausteile lautet die Devise, nur schlimmste Schäden auszumerzen und nur jenes Material zu ersetzen, das morsch oder beschädigt ist.

In einem Jahr sollte der finale Umbau vollendet sein. Die Küche, die zum Kuhstall wurde, ist dann ein Atelier. Das Kornlager kann als Wohnung bezogen werden. Wenn deren Mieterin Glück hat, findet sie zwischen zwei Balken ein 463 Jahre altes Korn eingeklemmt. Flurina Sirenio