
Ich klickte mich durch Toronto
Mein Blick hangelt sich von Stein zu Stein hoch, bis sich der letzte ockerfarbige Punkt im blauen Himmel von Ägypten verliert. Ich befinde mich direkt vor einer der Pyramiden von Gizeh. Der Anblick ist eine Wucht – ich starre einige Sekunden in dieses blaue Meer, das keines ist. Bis mich die Türklingel aus der Starre reisst. Der Paketbote, ein neuer Staubsauger. Ich lege mich wieder ins Bett, setze den Laptop auf meinen Schoss und klicke mich weiter durch Google Street View. Während drei Stunden «laufe» ich durch Jerusalem, Bergkarabach und Toronto. Danach sauge ich meine Wohnung in Luzern. Die Coronakrise hat das ganze Leben ein wenig vermengt und auf wenige Räume beschränkt. Während des Ausnahmezustands bin ich deshalb einige Male mit Street View vor der Realität geflohen und habe mein Fernweh dadurch ein wenig gestillt. Das «alternative Reisen» ist etwas, das ich aus dieser Beschränkung mitnehmen will. Schliesslich beschleicht mich das Gefühl, ich hätte tatsächlich vor dieser riesigen Pyramide gestanden. Und das, ohne dass mich die Sonne geblendet hat. Ohne, dass ich mir das Gebrabbel eines Touristenstroms anhören musste. Ohne, dass ich mich in einer Schlange einreihen musste. Ohne, dass ich ein überteuertes Ticket kaufen musste. Ohne dass … ach, jetzt klingelt es wieder an der Tür!