Im Essig liegt das Glück

Heute hatte ich ein kleines Schockerlebnis. Auslöser war eine Essiglieferung, mit der ein befreundeter Weinhändler mich alle paar Monate eindeckt. Die Übergabe der Ladung ist zu einem Ritual geworden. Man trifft sich irgendwo in einem Lokal entlang der A1, schlürft einen Kaffee, tauscht Tratsch aus und gelobt sich dann gegenseitig, bald ein ausgiebiges Nachtessen oder wenigstens einen Lunch zu planen – was dann doch meist bis zum nächsten Treffen auf einer Raststätte ein hohles Versprechen bleibt.

Das alles begann vor mehr als 15 Jahren, als ich Roger kennenlernte. Ich kaufte bei ihm ein paar Flaschen Wein; er habe übrigens auch Aceto, italienischen Essig also, im Angebot, meinte er beiläufig. «So Alltagsessig?» – «Ja, durchaus, auch Essig für den Alltag». Ich erstand also eine Flasche.

Sie hat tatsächlich mein Leben verändert. Salat davor und danach – zwei Welten. Mozzarella ohne den Essig von Roger – lass ich lieber stehen.

Zugegebenermassen hat mich Roger damals ausdrücklich gewarnt. Wenn ich einmal diesen Essig kosten würde, könne ich nie mehr – nie mehr – ohne ihn sein. Ich hielt das für einen geschickten Marketingspruch eines vifen Weinhändlers, aber Roger behielt recht. Erst gestern wurde mir dann so richtig klar, was er mir da eingebrockt hat. Eine Halb-Liter-Flasche kostet 28 Franken. Das ist ordentlich viel Geld, denken Sie – ich auch. Aber gut, von diesem Essig braucht man ja nicht so viel, der reicht für ein paar Wochen oder gar Monate. Das dachte ich damals auch. Es war ein grosser Irrtum.

Im Laufe der Zeit bin ich wohl so etwas wie zum Essig-Pegeltrinker geworden. Üblicherweise liefert Roger inzwischen einen Zwölferkarton. Wie lange er hält, will ich lieber nicht wissen. Gestern habe ich mal hochgerechnet, welche Löcher die Hundertschaften Essigflaschen schon in unsere Haushaltskasse gerissen haben – die Zahl führte zu der eingangs erwähnten Schockstarre.

Sie fragen sich jetzt natürlich, wie das Wunderprodukt heisst. Ich muss Sie enttäuschen, ich verrate es niemandem. Ich befürchte nämlich, dass der Produzent, den ich schon zweimal besucht habe, mit dem Liefern nicht mehr nachkommt und die Preise erhöht. Das muss ich, ich bitte um Verständnis, tunlichst verhindern.