
Im Sommer kommt das Covid-Zertifikat – doch wer ist wie lange immun, geschützt oder ansteckend? Die 9 wichtigsten Fragen und Antworten
Im Sommer soll es ein 3G-Zertifikat geben, mit dem sich wohl viele Türen auftun: in Flugzeugen, Kinos, Fussballstadien und Schwimmbädern. Doch wer ist wie lange immun, geschützt oder ansteckend? 9 Fragen und Antworten dazu.
1. Wie lange hält die Immunität nach einer Impfung?
Im Moment gehen die Fachleute davon aus, dass eine geimpfte Person acht bis zwölf Monate vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 geschützt ist. Vermutlich sogar länger. Da die Impfkampagne weltweit aber erst vor fünf Monaten begonnen hat, kann man das noch nicht definitiv sagen. Allerdings gibt es Daten aus den letztjährigen Zulassungsstudien, die auf eine längere Immunität hindeuten.
Etwa drei Wochen nach der zweiten Impfung ist eine Person zu etwa 95 Prozent geschützt, kann sich selber nicht mehr anstecken und damit nach heutigem Wissensstand das Virus auch nicht mehr weitergeben. Das bestätigen auch Daten aus Israel, wo 80 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geimpft sind. Eine Analyse aus Grossbritannien zeigte zudem auch, dass auch Erstgeimpfte das Virus bereits seltener weitergeben als Ungeimpfte.
2. Wie steht es um die Immunität nach einer Genesung?
Gemäss Christian Münz vom Universitätsspital Zürich sind die Genesenen für mehrere Monate vor Reinfektion, aber unter Umständen für den Rest ihres Lebens vor schweren Infektionen geschützt. «Daher sind die Zeiträume eines Schutzes vor Reinfektion für sechs Monate realistisch», sagt der Immunologe der Taskforce. Danach fallen die messbaren Antikörper im Blut ab, aber diese können schnell aus Gedächtniszellen wieder gebildet werden. «Die gemessenen Antikörper richten sich nach der Impfung gegen das Spike-Protein von Sars-CoV-2, während bei Genesenen neben den spikespezifischen T- und B-Zellantworten noch zusätzlich andere T-Zellantworten dazukommen. Daher ist der Immunschutz nach Infektion oder Impfung vermutlich vergleichbar», sagt Münz.
3. Wer ist länger vor dem Coronavirus geschützt? Geimpfte oder Genesene?
Genesene sind anfänglich ähnlich gut geschützt wie Geimpfte, der Schutz nach einer durchgemachten Infektion hält aber wahrscheinlich nicht so lange wie nach einer Impfung. Gemäss einer grossen «Lancet»-Studie aus Dänemark ist zudem das Risiko einer Reinfektion für Genesene über 65 Jahren deutlich höher als für jüngere. Die Autoren betonen deshalb, dass sich aus der Studie ableiten lasse, dass man sich auch nach einer Infektion impfen lassen sollte, um nicht sich oder andere, vor allem Ältere, zu gefährden. Die Experten in der Schweiz raten, dass Genesene nach sechs Monaten eine Impfdosis erhalten sollen.
Messungen in den Laboren zeigen zudem, dass die Antikörper-Konzentration im Blut von Geimpften höher ist als von Genesenen. Das allein sagt aber noch nicht zwingend etwas über die Länge des Schutzes aus, wegen des noch nicht klaren Einflusses anderer Immunzellen. Und auch weil die Impfung eine andere Antikörper-Reaktion auslöst als eine Infektion.
4. Wie lang bietet ein Test eine gewisse Sicherheit?
Getestete sind nicht immun, sondern nur im Moment nicht infiziert. Aber nicht mal das ist sicher, weil der Test auch zu einem Zeitpunkt durchgeführt werden kann, während dem die Ansteckung nicht messbar ist. So bieten Tests generell nur wenige Stunden oder Tage eine Sicherheit. Ein Antigenschnelltest erkennt nur Infizierte mit starken Symptomen, gilt deshalb nur 24 Stunden und erlaubt nur eine beschränkte Aussage. Ein negativer PCR-Test ist sicherer und hält maximal 48 Stunden.
5. Braucht es mit dem 3G-Zertikat noch Schutzmassnahmen in Innenräumen?
Ja, wegen der Getesteten – weil diese nicht immun sind. Halten sich nur Geimpfte und Getestete in einem Raum auf, ist eine Virusübertragung sehr unwahrscheinlich. Es bräuchte bei diesen ein doppeltes Versagen der Immunität, weil erstens eine Person trotzdem ansteckend sein müsste und zweitens eine andere Person trotz Genesung oder Impfung das Virus aufnehmen müsste. Es wäre somit ein sehr grosser Zufall, wenn es in dieser Zusammensetzung von Geimpften und Genesenen zu einer Infektion käme.
Anders ist das, wenn Getestete im Raum sind. Diese sind prinzipiell gefährdet, auch wenn sie gerade einen PCR-Test gemacht haben. Sind alle drei G in einem Raum, müssen wegen der nur Getesteten trotzdem Hygiene-, Masken- und Distanzmassnahmen eingehalten werden
6. Wie häufig sind Wiederinfektionen nach einer Impfung?
Auch bei Geimpften können Reinfektionen mit grösstenteils mildem Verlauf vorkommen. «Für die Dauer des Schutzes vor Reinfektion sind mir allerdings noch keine verlässlichen Daten bekannt. Ein ähnlicher Zeitraum wie nach durchlebter Sars-CoV-2 Infektion scheint mir jedoch durchaus realistisch», sagt Münz.
Die Schutzwirkung der in der Schweiz gebrauchten Impfstoffe ist mit 95 Prozent hoch. Das ist aber nicht 100 Prozent, wie Ausbrüche nach der Impfung in Altersheimen zeigten. Beobachtet wurde aber, dass Geimpfte, die infiziert sind, deutlich kleinere Virenmengen in den Schleimhäuten haben und damit nur kurz ansteckend sind – ein bis zwei Tage. Kleinere Virusmengen in den Schleimhäuten verringern das Ansteckungsrisiko deutlich. Mit einer Sicherheit von 80 bis 90 Prozent kann man davon ausgehen, dass nach einer Impfung keine Ansteckung mehr möglich ist.
7. Können bald auch Geimpfte aus Drittstaaten wie den USA nach Europa oder in die Schweiz reisen?
Ja. Die EU-Kommission hat am Montag vorgeschlagen, den seit rund einem Jahr geltenden Einreisebann für Geimpfte aufzuheben. Damit sollen rechtzeitig auf die Feriensaison auch Menschen aus Drittstaaten wie zum Beispiel den USA, Australien oder auch China wieder nach Europa reisen können. Angepeilt wird eine Aufhebung bis zum 1. Juni.
Anerkennt werden sollen alle Impfstoffe, die in der EU zugelassen sind oder von der WHO eine Notfallzulassung erhalten haben. Der Schlussentscheid, wie die Empfehlung der EU-Kommission umgesetzt werden soll, liegt aber bei jedem Mitgliedsland einzeln. Die Schweiz hat sich bis jetzt meistens an die EU-Empfehlungen gehalten.
8. Die Antikörpermenge lässt bei Genesenen nach sechs Monaten nach. Wie gross ist der Einfluss anderer Immunzellen auf die Immunität?
Gemäss dem Immunologen Münz bilden sowohl T- wie auch B-Zellen nach der Infektion Gedächtnis- und Effektorzellen aus. Bei den B-Zellen heissen diese Effektorzellen Plasmazellen. «Während die Plasmazellen, die Antikörper produzieren, innerhalb eines Jahres abnehmen, leben die Gedächtnis-B-Zellen länger und können über Jahre nach Reinfektion schnell wieder Plasmazellen ausbilden», sagt Münz. Ähnlich ist es mit T-Zellen, bei denen Effektorzellen Virus-infizierte Zellen abtöten können, und Gedächtniszellen jahrelang leben. Die Effektorzellen können sich nach erneuter Infektion wieder schnell aus Gedächtniszellen heranbilden.
9. Bilden sich auch nach einer einmaligen Impfung von Genesenen Gedächtniszellen?
Ja, nach Münz kann man auch nach einmaliger Impfung von Genesenen beobachten, dass sich Gedächtniszellen bilden. «Hierbei ist allerdings noch unbekannt, ob diese Gedächtniszellen ausreichend auf die brasilianische, indische oder südafrikanische Variante reagieren. Falls mit diesen Varianten keine schweren Zweitinfektionen gehäuft beobachtet werden, reicht auch gegen diese Varianten der Schutz durch Gedächtniszellen des Immunsystems aus», sagt Münz.