Immer mehr Intensivpatienten in Schweizer Spitälern – das Gute: Die Behandlungdauer sinkt

743 Covid-Patienten befinden sich derzeit in Spitalpflege, 74 davon auf der Intensivstation. Die Gesamtzahl der Hospitalisationen sucht Programmierer Robert Salzer mit Unterstützung des Statistischen Amtes des Kantons Zürich jeweils zusammen. Über das Wochenende vermeldete sodann das Bundesamt für Gesundheit 8737 laborbestätigte Neuinfektionen und 171 Spitaleinlieferungen. Die bange Frage lautet aktuell: Gelingt es, das Wachstum des Virus so einzudämmen, dass die Spitäler nicht an ihre Kapazitätsgrenzen stossen?

Im Frühling, beim bisherigen Höhepunkt der Pandemie, besetzten Covid-Patienten gleichzeitig maximal knapp 2400 Betten. Das Gesundheitssystem hielt dem Druck stand. Wann genau es jetzt an den Anschlag gerät, vermochte Martin Ackermann, Chef der wissenschaftlichen Covid-Taskforce des Bundes, während der Pressekonferenz vom vergangenen Freitag nicht einzuschätzen. Zeige die Kurve der Neuinfektionen wie bis anhin nach oben, rechne die Taskforce alle sieben bis zehn Tage mit einer Verdoppelung der Spitaleinweisungen. Der Bundesrat und die Kantone hoffen, mit den Einschränkungen – unter anderem der erweiterten Maskenpflicht und des Versammlungsverbots im öffentlichen Raum ab 15 Personen – den Trend zu brechen.

Die Intensivstationen verfügen landesweit über 1000 Betten, bei Bedarf können sie zusätzliche 500 in Betrieb nehmen. Vor rund einer Woche war die Kapazität zu weniger als 50 Prozent ausgelastet, wobei die Covid-Patienten einen kleinen Anteil ausmachten. Gemäss Auskunft des Bundes verfügen die Kantone derzeit generell über gut 6000 freie Spitalbetten.

Vereinzelt melden Spitäler Engpässe. Das Spital Schwyz warnte letzte etwa Woche, den Ansturm von Covid-Patienten bald nicht mehr stemmen zu können. Es sucht dringend nach Pflegepersonal. Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich lässt derweil ausrichten, die Spitäler seien derzeit nicht am Anschlag, aber man beobachte die Situation aufmerksam. Ob das Spitäler einen möglichen Ansturm einer zweiten Welle zu bewältigen vermag, hängt vor allem davon ab, ob genügend Fachpersonen verfügbar sind.

Spitalverband wollen Behandlungsverbot unbedingt verhindern

Die Kantone und die Spitäler treffen derzeit Vorbereitungen, um Covid-Patienten bei Bedarf über die Kantonsgrenzen hinweg zu betreuen. Das heisst: Gerät ein Kanton ans Limit, springt ein anderer, der noch Ressourcen hat, ein. Im Frühling verhängte der Bundesrat ein Behandlungsverbot für alle nicht dringend notwendigen Operationen. Ende August teilte H+, der Verband der Schweizer Spitäler, mit, der Schaden dieses Behandlungsverbots belaufe sich für das ganze Jahr auf bis zu 2,6 Milliarden Franken.

Die Spitäler setzten jetzt durch Koordination mit anderen Spitälern und flexibler Anpassung ihrer Kapazitäten alles daran, ein neuerliches Behandlungsverbot zu vermeiden, sagt H+-Direktorin Anne Bütikofer. Der Verband verlangt ein nationales Informationssystem mit tagesaktuellen Daten zu Bettenkapazitäten, Personal und Material, um die Situation in den Spitälern besser beurteilen zu können und die Koordination zu verbessern. «Nur so kann sichergestellt werden, dass die Patienten auch bei steigenden Fallzahlen und Hospitalisationen gut versorgt werden können», sagt Bütikofer.

Andere Ausgangslage als bei erster Welle im Frühling

Von der Front der Intensivstationen gibt es auch positive Neuigkeiten zu vermelden. Denn die Ausgangslage präsentiert sich anders als im Frühling, als die Schweiz von der ersten Coronawelle überrollt wurde. Das Personal sei erfahrener und ruhiger, sagt Peter Steiger, stellvertretender Institutsdirektor Intensivmedizin am Unispital Zürich (USZ).

 

Ausserdem kämen die Covid-19-Patienten nun früher ins Spital, was wichtig ist: Die Therapien müssen möglichst früh beginnen, um schwere Verläufe zu verhindern. Bei Sauerstoffmangel wird nun allen Patienten Remdesivir verabreicht, dieses war im Frühling nur auf Studienbasis für einen Teil der Patienten verfügbar. Nun ist das Medikament in der Schweiz zugelassen und laut Steiger auch in genügender Menge vorhanden.

Gegen die schlimmen Entzündungen wird das Cortisolpräparat Dexamethason verabreicht. «Zudem haben Patienten im Rahmen einer Studie Blutplasma erhalten, welches Antikörper von Genesenen enthält, was vielversprechend erscheint. Die Resultate müssen aber noch abgewartet werden», so Steiger. Die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation hat sich verkürzt. Weitere Erkenntnisse sind, dass die Patienten nicht mehr so früh intubiert wurden. Steiger sagt:

Das führt ebenfalls dazu, dass weniger Plätze auf der Intensivstation belegt sind. Am Montag waren 16 Betten der Station und vier auf der Intensivstation des Unispitals Zürich mit Coronapatienten belegt. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der ersten Welle befanden sich 20 Patienten auf der Intensivstation des USZ und 32 auf der Station.

Jüngster Patient auf Intensivstation 32-jährig

Sinkt nun also die Mortalität der Coronapatienten in den Spitälern? Schweizweit ist diese Tendenz laut Steiger nicht ersichtlich. Am Unispital Zürich aber, das in der ersten Welle viele schwer erkrankte Patienten aus anderen Spitälern übernahm, ist die Mortalität momentan nur noch halb so hoch.

«Die steigenden Zahlen machen mir dennoch Sorgen», sagt Steiger, «sie könnten das System sehr fordern.» Ausserdem hätte sich das Personal nur wenig von der anstrengenden Zeit im Frühling erholen können.

 

Coronapatienten seien sehr aufwendig zu behandeln. Und Steiger gibt zu bedenken, dass selbst wenn viele ohne Symptome blieben, SARS Cov-2 eine ernsthafte Krankheit sei und bei einer Grippewelle nie so viele Leute auf die Intensivstation kämen. Der jüngste Patient in den letzten Wochen war 32-jährig.