In der Kindheit hatte die Kuh Hörner

Kühe mit Hörnern sind in der Schweiz am Verschwinden. Eine finanzielle Unterstützung von Bauern, die solche Tiere halten, könnte das verhindern. Über eine Subvention für Horntierhalter – es geht hier auch um Ziegen – stimmen wir am 25. November ab.

«Geht es noch! Über jeden Kuhfladen abstimmen», hat ein Nachbar gemeint, der einst als Mitglied der Auto-Partei eine Volksinitiative mitgetragen hat, welche Tempo 130 auf Autobahnen in der Bundesverfassung festschreiben wollte. Auch Hornkühe gehören nicht in die Verfassung. Ein anderer Weg öffnet sich einer Volksinitiative aber nicht, wenn ihr das Parlament einen Gegenvorschlag verweigert.

«Für mich geht es um die Würde der Kreatur», sagte Initiant und Bergbauer Armin Capaul letzte Woche vor den Medien in Bern. Ein Sektierer ist Capaul nicht. Im Gegensatz zur links-grünen Fair-Food-Forderung, die uns andere Essgewohnheiten aufzwingen wollte, ist sein Volksbegehren liberal. Ein Verbot der Enthornung ist für ihn kein Thema – sondern eine Unterstützung jener Landwirte, die ihre Rinder und Ziegen mit ihren natürlich gewachsenen Hörnern halten. Pro Kuh rechnet er mit 190 Franken jährlich und pro Ziege 38 Franken – konkrete Beträge fordert die Initiative nicht. Die von Capaul genannten Beträge erhalten heute Bauern, die beim «Raus»-Programm – «Regelmässiger Auslauf im Freien» – des Bundes mitmachen.

Capaul will, dass den Steuerzahlerinnen und -zahlern keine Mehrkosten entstehen. Exakt hier sticht die Bauernorganisationen der Hafer. Finanziert werden sollen die Hornkühe über eine Umverteilung im Agrarbudget des Bundes. Insgesamt rechnet man mit Kosten – und damit Umlagerungen – in der Höhe von jährlich 15 Millionen Franken.

 

Die ganz grosse Mehrheit der Kühe trägt heute keine Hörner mehr. Weshalb? Ein Grund für das Enthornen ist laut Schweizer Bauernverband das Aufkommen von Laufställen. In diesen können sich die Tiere frei bewegen und Rangkämpfe austragen, was zu Verletzungen führen kann. Auch für Bauern kann von behornten Kühen eine Verletzungsgefahr ausgehen. Enthornt wird aber nicht nur wegen der Sicherheit, sondern ebenso aus einem wirtschaftlichen Grund: Hornlose Kühe brauchen weniger Platz im Stall, ein Bauer kann also mehr Tiere auf der gleichen Fläche halten.

Mit anderen Worten: Es ist kaum anzunehmen, dass viele Bauern für 190 Franken pro Kuh und Jahr ihre Viehhaltung «verhornen» lassen. Kuh mit Horn ist eher ein Thema und eine Zusatzeinnahme für einen Kleinbetrieb, für achtenswerte Idealisten – und für die Kinder. Wo sehen sie noch eine Kuh, wie ich sie als Knabe gesehen habe? Als ich eingeschult wurde, zogen Pferde den Schneepflug durchs Dorf – ein Jahr später der Traktor.

Noch etwas: Enthornen bedeutet nicht, wie es der Begriff nahelegt, dass ein bestehendes Horn amputiert wird. Gängige Praxis ist eine andere: Kälbern werden im Alter von zwei bis drei Wochen nach vorgängiger Betäubung die Hornanlagen mit einem Brennstab entfernt.

Mit seinem Anliegen weckte Capaul schon früh das Interesse der Medien. 2015 reiste «Der Spiegel» zu Capaul und berichtete über den «Alm-Öhi», der für die Würde der Kuh kämpft. Am Freitag strahlt der deutsch-französische TV-Sender Arte einen Dokumentarfilm über den Bergbauern aus. Im Zusammenhang mit der Hornkuh-Initiative erschienen zudem zwei Bücher. Und vergangene Woche referierte Capaul an einer internationalen Konferenz der Agrarjournalisten und besuchte in diesem Rahmen einen Alpabzug im Entlebuch – keine einzige Kuh hatte Hörner.

Mit gutem Gewissen ein Ja empfehlen kann ich nicht. Persönlich aber werde ich ein Ja einlegen.