
Ist die Kolumne von «Landanzeiger»-Chef Markus Schenk «primitiv und patriarchal»?
In Aarau regt sich Unmut gegen das Gratis-Wochenblatt «Der Landanzeiger». Unter dem Titel «Gedanken von Markus Schenk» publiziert der Chefredaktor des Blattes jeweils einen Meinungsartikel – darin behandelt er Themen wie beispielsweise die Olympischen Winterspiele, innovative Ideen in der Landwirtschaft oder Che Guevara. Doch in der aktuellsten Ausgabe nimmt sich Schenk unter dem Titel «Die aktuellen Landanzeiger-Baggertipps» des Themas «frauenfeindliches Verhalten am Arbeitsplatz» an – und begibt sich damit auf dünnes Eis. Zum Thema Sexismus schreibt er: «Ich frage mich ernsthaft, weshalb das heute anders sein soll als vor ein paar Jahren.» Und: «Ist die Hysterie heute gar der Grund dafür, dass es immer mehr gleichgeschlechtliche Beziehungen gibt?»
Schenk betont, es sei nichts verbotenes, Freude an einer Frau zu haben, «sei es am Arbeitsplatz oder anderswo», aber „um einer Mitarbeiterin zu zeigen, dass man sie mag, muss man nicht gleich mit ihr in den Lift steigen oder sie ordinär anmachen». Er verteilt einen «Gratistipp an die Frauen»: «Kleidet euch schön, aber nicht viel zu knapp. Dadurch verhindern sie, dass die vom Jagdtrieb verfolgten Männer sich nicht gleich auf die Pirsch begeben.» Gleichzeitig drückt er sein Bedauern darüber aus, dass «aus der Mode gekommen ist», woran er sich von früher erinnere: «Kam da ein Gast einer Serviertochter zu nahe, erhielt er gratis und franko kurzerhand eine Ohrfeige».
Schenk sagt auf Anfrage der AZ, er habe keine einzige negative Reaktion auf seinen Text erhalten. Auf Facebook und Twitter wird er jedoch teils heftig kommentiert, nachdem ihn einige Aarauer Politiker online gestellt haben. «Da muss ich nach zwei Sätzen schon kotzen», lautet ein Kommentar dazu, ein anderer: «Widerlich.» Von einer «Entgleisung» schreibt die höchste Aarauerin, SP-Einwohneratspräsidentin Lelia Hunziker. Der zukünftige Einwohnerrat Daniel Ballmer (Grüne) findet Schenks Artikel «primitiv, patriarchal und völlig unwissenschaftlich». Andere fragen sich ob das „wirklich sein Ernst“ sei.
Denn einige von Schenks Sätzen lassen darauf schliessen, dass der Text eine scherzhafte Komponente haben soll. «Ich tippe mal, da versucht jemand Satire und scheitert», konstatiert eine Leserin. Ursula Funk, neu für die SP im Einwohnerrat, kommentiert: «Eine sehr schwache und fragwürdige Leistung eines Chefredaktors. Da manifestieren sich Vorurteile, vollkommen veraltete Ideen und falsche Annahmen noch und noch.» Und es sei eines offiziellen amtlichen Publikationsorgans „völlig unwürdig“. Denn: «Der Landanzeiger» ist offizielles Publikationsorgan der Stadt Aarau sowie etwa zwei Dutzend weiterer Gemeinden, er wird dort gratis in alle Briefkästen verteilt. «Ich denke, wir müssen uns in Aarau ernsthaft überlegen, ob der Landanzeiger noch ein adäquates amtliches Publikationsorgan ist», schreibt SP-Einwohnerrat Nicola Müller auf Facebook. «Wer solche Gedanken hat, sollte nicht gelesen werden.» – «Ich hoffe, dass die Stadt nach dieser wiederholten Entgleisung (nett ausgedrückt) die Konsequenzen zieht», schreibt auch Einwohnerrätin Silvia Dell’Aquila (vormals SP).
Zwischen den Zeilen lesen»
Der kritisierte Schenk sagt, wer mit seinem Text unzufrieden sei, solle sich bei ihm melden. Seine «Gedanken»-Texte seien immer etwas überzeichnet und es sei sein Stil, jeweils auch „etwas Ironie und Gedankenspiele“ einzubringen. «Man muss eben auch zwischen den Zeilen lesen können», sagt er.
«Seit Wochen grassiert dasselbe Thema in der Schweiz. Ich heisse es überhaupt nicht gut, wenn sexuelle Anspielungen gemacht werden, finde aber dass es langsam reicht. Haben wir keine anderen Sorgen? Wir leben doch in einer zivilisierten Gesellschaft, in der man weiss, wie man sich benimmt.»
So reagiert die Stadt
Auf Anfrage der AZ antwortet die Kommunikationsstelle der Stadt Aarau zur Debatte um den «Landanzeiger»-Artikel: «Stadtpräsidentin Jolanda Urech kommentiert keine Drittkommentare (Meinungsbeiträge) in der Presse, die nicht einen Bezug zur Stadt Aarau haben. Die Stadt Aarau hat zudem keinen Einfluss auf den redaktionellen Inhalt des Landanzeigers. Sie hat einzig Einfluss auf die von der Stadt in Auftrag gegebenen (amtlichen) Publikationen.»
Von Nadja Rohner/az
Und HIER können Sie Schenks Kolumne lesen