
Italien öffnet zaghaft – aber hat einen Plan, um den Sommer-Tourismus zu retten
Das Kino Beltrade in Mailand war am Montag das erste, das seine Türen nach Monaten wieder geöffnet hat – schon um 6 Uhr in der Früh. Und siehe da: Trotz der noch fast nachtschlafenden Stunde stellten sich etwa hundert Mailänderinnen und Mailänder an, die den Film «Caro Diario» («Liebes Tagebuch») von Nanni Moretti sehen wollten. Aufgrund der Platzbeschränkungen erhielten nur 84 von ihnen ein Eintrittsticket. «Ich konnte nicht hinein – aber es ist trotzdem schön, dass ein Kinobesuch nun grundsätzlich wieder möglich ist», erklärte der 30-jährige Marco, der keinen Platz bekam.
Rund 50 der 60 Millionen Einwohner Italiens befinden sich seit Montag wieder in einer «gelben» Zone, der zweittiefsten Gefahrenstufe des italienischen Ampelsystems mit den Farben weiss, gelb, orange und rot. Die meisten von ihnen befanden sich zuvor in der orangen Zone, der nach wie vor die Regionen Basilicata, Kalabrien, Apulien, Sizilien und das Aosta-Tal zugeteilt sind.
In Sardinien steht die Ampel auf rot
Die einzige rote Region ist derzeit Sardinien – das noch vor wenigen Wochen die einzige weisse Region gewesen war. Die weitgehende Öffnung, gepaart mit der Sorglosigkeit der Bevölkerung, war der Insel nicht gut bekommen.
Der prompte Anstieg der Fallzahlen in Sardinien hat der Regierung von Mario Draghi als Warnung gedient: Die seit dieser Woche in Kraft gesetzten Lockerungen sind äusserst vorsichtig und im Alltag der Bürgerinnen und Bürger kaum wahrnehmbar. Die teilweise Öffnung der Kinos ist noch die am weitesten gehende von allen.
In den gelben Zonen dürfen nun die Restaurants auch abends Gäste bedienen (vorher nur am Mittag), aber lediglich im Freien. Und man darf auch wieder von einer gelben Region in eine andere fahren. De facto konnte man das aufgrund zahlreicher Ausnahmeregelungen und spärlicher Kontrollen schon vorher. Man durfte sogar in rote Zonen gehen – es reichte, wenn man dort ein Ferienhaus besitzt.
Die Ausgangssperre gilt bereits seit Monaten
Was bleibt, ist die nächtliche Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr – was derzeit etwa in Deutschland von vielen als staatlich verordnete Freiheitsberaubung wahrgenommen wird, gilt in Italien seit Monaten. Auch die Maskenpflicht im Freien sowie die Distanzregelungen bleiben in Kraft – genau so wie der Ausnahmezustand, den die Regierung bis Juli verlängert hat und der es der Exekutive erlauben würde, umgehend auf eventuell wieder ansteigende Fallzahlen zu reagieren.

Mario Draghi will auf den europäischen Impfpass setzen.
«Wir gehen ein kalkuliertes Risiko ein», sagte Draghi, als er die Lockerungen in ankündigte. Tatsächlich sind die Fallzahlen in Italien seit fünf Wochen rückläufig – allerdings langsam und immer noch auf hohem Niveau.
Ein nationaler Impfpass soll Bewegungsfreiheit schaffen
Trotz der nur zurückhaltenden Lockerungen sind viele Virologen und Ärzte skeptisch. Sie fürchten den psychologischen Effekt, den die neuen Freiheiten mit sich bringen könnten: Vor allem junge Menschen könnten sich in trügerischer Sicherheit wähnen und die geltenden Vorsichtsmassnahmen, namentlich das Tragen der Gesichtsmaske, vergessen. «Wir werden für diese Lockerungen einen Preis bezahlen: Die Fallzahlen werden zwangsläufig wieder ansteigen», prophezeit der Virologe Fabrizio Pregliasco. Wenig zu seiner Beruhigung trug bei, dass der Präsident von Venetien, Luca Zaia, die ersten zwei Fälle der «indischen Variante» in seiner Region meldete.
Die Regierung hält indessen an ihrer Linie fest – und hat für Mitte Mai die nächsten Lockerungen in Aussicht gestellt. Die Bewegungsfreiheit soll weiter vergrössert werden; vorgesehen ist dazu ein nationaler Impfass.
Mit Blick auf die Sommersaison setzt die Regierung von Mario Draghi vor allem auf den geplanten europäischen Impfpass. Wann dieser kommen wird, ist freilich noch ungewiss – und vorerst bleibt für alle ausländischen Gäste die Pflicht, sich nach der Einreise in Italien für fünf Tage in Quarantäne zu begeben.