
Karikaturist Silvan Wegmann: «Donald Trump hatte Traummasse»
Silvan Wegmann, war Donald Trump für euch Karikaturisten Fluch oder Segen?
Silvan Wegmann: Er vereinfachte die Suche nach Ideen massiv. Wenn es an Cartoonthemen mangelte, dann war ja immer Donald da. Für uns hier in Europa war er nicht gerade ein Segen, aber natürlich eine äusserst dankbare Figur.
Für Ihre amerikanischen Kollegen doch sicher auch?
Für amerikanische Cartoonisten wars und ists komplizierter. Sie zeichnen im Auge des Sturms gegen ihren eigenen Präsidenten an und geraten oft auch in seinen Bannstrahl. Wobei es auch unter Cartoonistinnen Trumpunterstützer gibt, was teils zu Spannungen unter den Zeichnern führt.
Zum Verhängnis wurde Trump in seinem vierten Amtsjahr die Coronapandemie, die er anfänglich kleinredete und nie in den Griff bekam. © Silvan Wegmann
Diese Haare, diese Hautfarbe, diese Körperhaltung: Was war für Sie das prägende Merkmal von Trump?
Trump hatte Traummasse für eine Karikatur. Man kann seine Haare auch alleine zeichnen ohne sein Gesicht. Man erkennts. Verrückt.
Sie haben ihn 104 Mal gezeichnet. Welches ist Ihre Lieblings-Trump-Karikatur?
Das müssten wohl die Leserinnen beantworten. Es gibt gelungene und weniger gelungenere. Interessant ist aber wirklich, dass es eigentlich nie Ermüdungserscheinungen gibt, man kommt bei ihm recht schnell zu guten Ideen, ständig. Beim Virus war es lange ähnlich, allerdings stecken wir nun alle in einer Endlosschlaufe und die Motive erschöpfen sich langsam aber sicher.
Trump machte sich häufig lustig über Maskenträger in der Pandemie. Er ist schliesslich selber an Covid-19 erkrankt, ohne schwere Symptome zu entwickeln. © Silvan Wegmann
Wie läuft das überhaupt ab? Sie lesen die Nachrichten, haben den Gedankenblitz, setzen sich hin und zeichnen von Hand drauflos?
Am Morgen lese ich möglichst viele unterschiedliche Medien, Print und online. Tagsüber läuft nonstop Radio (ich möchte «Rendez-vous» und «Echo der Zeit» ein Kränzchen winden). Abends natürlich das ganze nochmals im Fernsehen. Ab und zu schaut man auch in ein Satiremagazin rein wie zum Beispiel die «Weltwoche».
Die «Weltwoche» liefert Ihnen die Ideen für Ihre Karikaturen?
Nun, beim Konsum all dieser Medien ist immer Papier und Bleistift in der Nähe und es zündet oft recht schnell und man skizziert erste kleine Ideen. Einige werden gleich verworfen, an anderen grübelt man weiter bis man zur finalen Skizze kommt. Grossartige Hilfen sind meistens einfach die Statements von Politikern, wenn sie sich zu Themen äussern (müssen).
Zweimal besuchte Trump das World Economic Forum in Davos. Die Einladung an den mächtigsten Mann der Welt hat den WEF-Gegnern viel Munition geliefert. © Silvan Wegmann
Und wie lange dauert es, bis die Zeichnung fertig ist?
So eine Karikaturidee zu kreieren kann von fünf Minuten bis zu drei Stunden dauern. Die Farbumsetzung ist dann nur noch Fleissarbeit am PC, wobei das auch oft viel Zeit in Anspruch nimmt, da mein Stil relativ aufwendig ist.
Trump tritt ab. Sein Nachfolger Joe Biden gilt als vergleichsweise blasse Figur. Wie schwierig wird es für Sie, Biden karikaturistisch umzusetzen?
Sein schneeweisses Grinsen ist genau so «grossartig» wir Trumps Haare. Er zieht den rechten Mundwinkel immer etwas höher als den linken, das ganze Gesicht kommt dabei in Schieflage. Dazu kommt seine etwas ungelenke Körperhaltung. Passt schon.
Mit den Fakten hatte es der US-Präsident nicht so. Laut den Faktencheckern der «Washington Post» hat er seit seiner Amtseinsetzung 30′ 524 Falschaussagen gemacht. © Silvan Wegmann
Jetzt, wo die Trump-Show endet, haben wir hoffentlich wieder etwas mehr Zeit, uns anderen politischen Figuren zu widmen. Wer ist auf dem internationalen Parkett aus Ihrer Sicht als Karikaturist die spannendste?
Gespannt bin ich natürlich auf die Zeitenwende in Deutschland. Boris Johnson kam viel zu kurz, leider. Aber auch die Xi’s und Putins sind ja noch lange da und werden wohl noch «giftiger», genau wie Erdogan, Orban, Bolsonaro. Es ist genug Futter für die Satire da, was uns allen etwas mehr Sorgen bereiten sollte. Wir haben eben in Washington erlebt, wie dünn das Eis sein kann, wenn einer sich zu Höherem berufen fühlt.
Wie die Geschichte über Trump urteilen wird, ist offen. Laut den vom «Siena College» befragten Experten ist Donald Trump aber jetzt schon der messbar schlechteste Präsident der US-Geschichte. © Silvan Wegmann