
Kein guter Tag für die SVP
Sitzverluste in den Einwohnerräten von Zofingen, Baden, Obersiggenthal und Wettingen – der letzte Sonntag war für die SVP kein guter Tag. Dazu viele Stadt- und Gemeinderatswahlen. In den kleinen Gemeinden scheinen sich Verluste und Gewinne knapp aufzuheben. Nicht so in den Aargauer Agglomerationen. In Zofingen ist die SVP seit vier Jahren ohne Sitz im Stadtrat und bleibt das für die nächsten vier Jahre. Auch in Aarau ist die SVP ab 1. Januar 2018 nicht mehr in der Regierung. SVP-Staatsanwalt Simon Burger – in Zofingen tätig – ist brutal gescheitert. Baden? Da ist die SVP schon gar nicht mehr angetreten. In Wettingen konnte der einzige Sitz nicht verteidigt werden. Buchs, Suhr? Künftig ohne SVP.
Die SVP auf dem absteigenden Ast? Das kann so nicht unterschrieben werden. Was sich generell abgezeichnet hat, ist ein Trend weg von den grossen Parteien hin zu Kleinparteien und bei Behördenwahlen zu parteilosen Kandidatinnen und Kandidaten.
Die Wählerinnen und Wähler suchen Brückenbauerinnen
Der Aargauer Wahlsonntag war in dieser Beziehung eine deutsche Bundestagswahl im Kleinen. Die grossen Parteien haben verloren – ungeahnt massiv. Bei uns haben sich die Wählerinnen und Wähler jedoch nicht für extreme Positionen ausgesprochen. Im Gegenteil – sie haben die politische Mitte gewählt – die Brückenbauerfunktion zwischen den politischen Polen gesucht. Die Wählerinnen und Wähler wollen offensichtlich eine lösungsorientierte Sachpolitik. Womit nicht gesagt ist, dass sich die SVP in Zofingen einer solchen verweigert hat.
Hat sich die SVP im Vorfeld der Wahlen 2017 strategische und taktische Fehler erlaubt? Ja, aber eher im Detailbereich. Ein aus Zofinger Sicht «neutrales» Beispiel aus dem Bezirk Lenzburg: In Meisterschwanden kandidierte Michelle Rütti –notabene Vizepräsidentin der SVP Aargau – gleichzeitig für den Gemeinderat und die Schulpflege. Zwei politisch eher nicht vereinbare Ämter.
Politik ist Strategie und Taktik – eine Art Schachspiel in der gelebten Realität – nicht aber ein Mühlesteinspiel. Die Doppelmühle, mit der man mit einem Stein zwei Positionen abdeckt, ist verpönt – was Rütti von den Wählerinnen und Wählern mit zwei letzten Plätzen knüppeldick zu spüren bekam.
Worin aber liegt das Grundproblem? Weshalb erreichen die traditionellen Parteien immer weniger Wählerinnen und Wähler? Dazu der Zofinger SP-Präsident Michael Wacker in einem Gespräch im Vorfeld der Wahlen: «Immer weniger Leute wollen sich zu einer Partei bekennen.» Im Wahlkampf und auch sonst mehr Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern? Das wäre das Ziel. Nur, der Stammtisch ist längst Tempi passati. Wo dann Kontakte knüpfen? Ausserhalb des politischen Feldes.
Tobias Hottiger, der für die FDP mit einem super Resultat in den Zofinger Einwohnerrat gewählt wurde, bekam ausserhalb der eigenen Partei viele Stimmen – sein Handball-Umfeld eben. Was aber ist mit den Wählern ohne Vereinsmitgliedschaft, ohne soziales Engagement, ohne Abo bei Kultur Zofingen, ohne Tageszeitung?
Wie erreicht man die Bürgerinnen und Bürger im Internet?
Diese Leute sind im Internet. Nur, wie erreicht man sie? Gestern von der Uni Kiel veröffentlicht: Im «Netz» suchen viele «Wutbürger» Anschluss – und scheinen ihn zu einem Teil bei der AfD gefunden zu haben. Gegenmassnahmen? Die Kieler Forscher: «Politikerinnen und Politiker, vor allem etablierter Parteien, sollten stärkere Präsenz in den sozialen Medien zeigen, um dem Abdriften von Bevölkerungsteilen in Online-Parallelwelten entgegenzuwirken.» Studien deuten den Experten nach darauf hin, dass sich neue Wähler über soziale Netzwerke mobilisieren – und sich das politische Interesse der Bevölkerung und die Wahlbeteiligung so steigern lassen. Dieses Potenzial würden derzeit erst primär Vertreter radikaler Ansichten nutzen. Vertreter etablierter Parteien haben hier Nachholbedarf.