Kein normales Spiel für den FC Aarau

Lausanne vs. Aarau – da war doch was? Die Traditionsklubs lieferten sich in der vergangenen Saison bis zum letzten Spieltag ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Barrage-Platz. Am Ende ging der FCA nach 36 Spieltagen mit einem Punkt Vorsprung als Sieger daraus hervor. Ein Rieseneffort, wenn man bedenkt, dass Lausanne nach elf Spieltagen noch 16 Punkte Vorsprung hatte. Der Trainer der Waadtländer, Giorgio Contini, sagt rückblickend: «In der vergangenen Saison hatten bei uns einige Spieler Mentalitätsprobleme, wir sind selber schuld, haben wir die Barrage verpasst. Aarau hingegen hat sich die Aufstiegsspiele dank dem eindrücklichen Schlussspurt verdient.»

Tempi passati. Neue Saison, neues Glück. Wobei beim vom Chemiegiganten Ineos alimentierten, ligaweiten Finanzkrösus Lausanne das Ziel gleich geblieben ist. Contini: «Im nächsten Jahr ist das neue Stadion fertig, wir wollen es unbedingt in der Super League einweihen.»

In Aarau hingegen werden zwangsläufig kleinere Brötchen gebacken: Gestiegene Sozialabgaben (Unfallversicherung), fehlende Transfererlöse und Lohnerhöhungen bei den Altstars belasten das Budget, das neue Kader hat nicht mehr die Substanz jenes in der vergangenen Saison. Vom Aufstieg, der nach dem Scheitern in der Barrage gegen Xamax das folgerichtige Ziel wäre, spricht in Aarau niemand mehr.

Um sich auf Augenhöhe mit Lausanne zu messen, müssten ein Abwehrchef, ein valabler Ersatz für den abgewanderten Topskorer Varol Tasar und im Sturmzentrum ein Mann mit eingebauter Torgarantie her.

So verschlief der FCA den Transfer von Aldin Turkes

Einer wie Aldin Turkes, der für Lausanne in den ersten vier Spielen bereits vier Mal getroffen hat. Vergangene Saison skorte der 23-Jährige 16 Mal für Rapperswil-Jona und wurde Torschützenkönig der Challenge League: Eine Leistung, die nicht genug hoch einzuschätzen ist, schliesslich stiegen die Ostschweizer in die Promotion League ab.

Brisant: Auch der FC Aarau wollte Turkes unbedingt verpflichten – als Ersatz für den 37-jährigen Stefan Maierhofer. Die Verhandlungen waren so weit fortgeschritten, dass der Spieler unbedingt nach Aarau wollte. Doch dann kam es gemäss «SaS»-Informationen auf Verwaltungsratsebene zu ferienbedingten (!) Verzögerungen bei der Transferabwicklung, die letztlich dazu führten, dass Lausanne dazwischengrätschte und Turkes ein finanziell deutlich besseres Angebot machte, dem dieser nicht widerstehen konnte.

Der FCA-Deal mit Turkes platzte buchstäblich in letzter Minute. Als Alternative zum jungen, torgefährlichen und dynamischen Turkes musste man auf den kantigen, aber alternden Maierhofer zurückgreifen, der Turkes bislang nur punkto Körpergrösse überragt (202 cm vs. 193 cm). Maierhofer hat in dieser Saison noch kein Tor erzielt, Turkes bereits vier.

Der Ärger bei Aarau-Sportchef Sandro Burki und Trainer Patrick Rahmen über den verpassten Transfercoup kocht vor dem Direktduell mit Lausanne wieder hoch. Verständlich: Würde Turkes das FCA-Trikot tragen, wären zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen: Lausanne wäre offensiv deutlich schwächer, der FCA deutlich stärker.

Aber es gibt im FCA-Lager vor dem Spiel in Lausanne auch positive Gedanken. Vor ziemlich genau einem Jahr reiste Aarau am siebten Spieltag ohne Punkte im Gepäck an den Lac Léman – und holte, oh Wunder, einen Punkt. Die Erkenntnis, trotz der katastrophalen Partien zuvor einem Topteam Paroli bieten zu können, war einer der Schlüssel für die Aufholjagd vom letzten auf den zweiten Tabellenrang. Lausanne war in der vergangenen Saison so etwas wie der Aarauer Lieblingsgegner: Keines der vier Duelle ging verloren, das letzte, seit dato legendäre Aufeinandertreffen am 4. Mai 2019 im Schneesturm, gewann Aarau gar mit 3:0. Lausanne-Trainer Contini: «Wir haben Aarau in der vergangenen Saison immer wieder aufgebaut, das begann mit dem 1:1 am 7. Spieltag, als sie gegen uns ihren allerersten Punkt gewannen.»

Lausanne der Aufbaugegner? Die Bezeichnung taugt auch vor dem heutigen Aufeinandertreffen. Der Start mit einem Punkt in Winterthur (1:1), der reifen Leistung beim Heimsieg gegen Kriens (4:1) und der unverdienten Niederlage gegen GC (1:2) war gut, doch seither enttäuschte der FC Aarau mit der Peinlich-Pleite in Chiasso (2:4) und dem in extremis im Penaltyschiessen abgewendeten Cup-Out gegen die Amateure des SC Cham.

Damit die im Frühling aufgekommene Euphorie rund ums Brügglifeld nicht schon wieder verpufft, muss sich der FCA in Lausanne zumindest teuer verkaufen. Es geht auf der Pontaise in doppelter Hinsicht um das Image des FC Aarau: Bei einer Niederlage wäre in den kommenden Monaten graues Tabellen-Mittelmass angesagt, für den FCA würde sich, anders als noch im Frühling, kaum mehr jemand ausserhalb der Kantonsgrenzen interessieren. Noch wichtiger aus FCA-Sicht: Leistungen wie zuletzt in Chiasso und Cham sind Gift für die Stadion-Abstimmungen am 24. November. Das Bild, das der FC Aarau in den Monaten bis zum entscheidenden Urnengang auf und neben dem Rasen abgibt, könnte angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen Gegnern und Befürwortern das Zünglein an der Waage spielen.

Sind sich die Aarauer Spieler der existenziellen Bedeutung der kommenden Monate bewusst? Und dessen, dass sie mit ihren Leistungen den Ausgang der Stadion-Abstimmungen beeinflussen können? Den Beweis, nicht nur für sich, sondern auch für den FCA zu kämpfen, sind sie in den vergangenen zwei Spielen schuldig geblieben – allen voran die Ü30-Abteilung. In Lausanne haben die Spieler die Gelegenheit, viele Gegenargumente zu liefern.

 

Premiere für Kevin Spadanuda? 

Findet der FC Aarau nach den beiden Niederlagen gegen Absteiger Grasshoppers (1:2) und Chiasso (2:4) auf die Erfolgsspur zurück oder geht die Talfahrt weiter? Klar ist: Im Auswärtsspiel beim Aufstiegsfavoriten Lausanne (Samstag, 19 Uhr) ist die Mannschaft von Trainer Patrick Rahmen Aussenseiter. «Lausanne hat dreimal in Folge gewonnen und ist gut drauf», sagt Rahmen. «Im Gegensatz dazu müssen wir uns nach dem 2:4 in Chiasso an der eigenen Nase nehmen. Ich habe den Spielern ins Gewissen geredet. Und ich bin sicher, dass bei ihnen die Einsicht da ist.»

Mal schauen, ob Captain Elsad Zverotic und seine Teamkollegen zu einer Reaktion fähig sind. Ein Unentschieden wäre ein erster Schritt auf dem Weg nach oben. Verletzungsbedingt fehlen werden Mittelfeldspieler Olivier Jäckle, Innenverteidiger Nicolas Schindelholz und Neuerwerbung Liridon Balaj. Hingegen kehrt Kevin Spadanuda nach dem Muskelbündelriss im Oberschenkel ins 18-Mann-Aufgebot zurück. Mal schauen, ob der 22-jährige Flügelstürmer gegen die Waadtländer zu einem Teileinsatz kommen wird. Für frischen Wind würde Spadanuda mit Sicherheit sorgen.