Knall im Aargauer Fussballverband: Drei von vier Angestellte haben gekündigt

Frühlingsgefühle? Nicht im dritten Stock des Gaiscenters in Aarau. Dort, wo der Aargauische Fussballverband (AFV) seine Geschäftsstelle hat. Im Epizentrum des kantonalen Breitenfussballs hat es geknallt – und zwar so richtig. «AZ»-Recherchen decken auf: Geschäftsführer Hannes Hurter (38) und sein Stellvertreter Jonas Manouk (32) haben diese Woche bei Verbandspräsident Hans Aemisegger ihre Kündigung eingereicht. Sie werden noch bis Ende Frühling für den AFV tätig sein. Bereits vor zwei Wochen hat sich Marc Grütter (23), der Leiter Spielbetrieb, verabschiedet: Er beginnt Anfang Mai in gleicher Funktion beim FC Aarau.

Das heisst: Auf der AFV-Geschäftsstelle nehmen innert Kürze drei von vier Angestellten, die sich die 3,8 Vollzeitstellen aufteilen, den Hut. Vom Viererteam übrig bleibt einzig der technische Leiter Karlheinz Born (59). Was ist passiert? Die Direktbetroffenen wollen auf Anfrage keine Stellung nehmen. «Kein Kommentar», sagt Hannes Hurter auf die Frage der «AZ», warum er gekündigt habe. Die genauen Hintergründe bleiben vorerst Gegenstand von Spekulationen.

«Kicker Talents» als Ursache?
Doch nach vielen Anrufen der «AZ» in die Aargauer Fussballszene scheint klar: Eine wichtige Rolle spielt das im vergangenen Sommer lancierte Nachwuchsprojekt «Kicker Talents» (siehe AZ-Ausgabe vom 18. Oktober 2018). Unter der Leitung der Regionalfussball-Koryphäe Jürg «Gügs» Widmer wurde ein modernes Ausbildungsprogramm für die talentiertesten Aargauer Junioren ab 11 Jahren lanciert. «Kicker Talents» ist ein Meilenstein und dient dem Schweizerischen Fussballverband als Pilot, der künftig im ganzen Land angewendet werden soll.

Vereinfacht gesagt hat «Kicker Talents» einerseits zum Ziel, dass die Talente früher als bisher professionell gefördert werden. Andererseits soll mit einem dichteren Scouting-Netz gewährleistet werden, dass die vielversprechendsten Talente dem Aargau erhalten bleiben und nicht schon im Bubenalter nach Zürich, Basel oder Luzern abspringen. Mit dem Ziel, dass die Aargauer Spitzenklubs wieder mehr einheimische Spieler in ihren Mannschaften haben.

«Bin traurig und enttäuscht»
Als der AFV im Herbst 2018 das Projekt im «Cinema 8» in Schöftland präsentierte, schien alles in Minne. Jürg Widmer war Feuer und Flamme und Tag und Nacht für «Kicker Talents» unterwegs. Vier Monate später ist das Feuer erloschen: Jürg Widmer hat im Januar das Mandat als Projektleiter von «Kicker Talents» niedergelegt. Oder es wurde ihm von AFV-Präsident Hans Aemisegger entzogen. Je nach Sichtweise. Zwischen den einst engen Freunden Widmer und Aemisegger muss es gemäss Insidern so richtig geknallt haben.

Zwischenmenschlich oder wegen unterschiedlicher beruflicher Meinungen? Auf Anfrage will Widmer nicht ins Detail gehen – noch nicht. Er sagt: «Es ist noch zu früh für Details. Ich bin traurig und schwer enttäuscht darüber, wie es sich entwickelt hat.» Widmer hat bereits eine neue Aufgabe im Fussball, seit Mitte Januar ist er Trainer beim luzernischen FC Eschenbach. Die Zukunft von «Kicker Talents» ist nach Widmers Abgang alles andere als gesichert, obwohl der AFV mit Marco Tovagliaro einen neuen Projektleiter bestimmt hat. Ob und wie es weitergeht, entscheidet sich im Sommer.

Muss der Präsident zurücktreten?
Zurück auf die AFV-Geschäftsstelle: Der Verlust von Hurter, Manouk und Grütter ist mehr als eine übliche Personalrochade. Da ist der Fakt, dass alle mehr oder weniger gleichzeitig gehen. Und da ist das grosse Ansehen, das das Trio bei den über 80 Vereinen, die dem AFV angeschlossen sind, geniesst. Mit ihren Abgängen geht sehr viel wertvolles Know-how verloren. Wie soll das ersetzt werden? Hurter begann 2009 als Medienchef beim AFV, 2015 wurde er Geschäftsführer und dank seines grossen Einsatzes und Herzblut zum Gesicht des Verbandes. Der AFV wurde zur Familie.

Hurter und Aemisegger waren lange ein Traumduo: Hier der fleissige und bestens vernetzte Geschäftsführer, dort der visionäre Präsident, der die mittlerweile fest zum Fussballjahr gehörende AFV-Gala ins Leben rief und einst sagte: «Mein Vorgänger hat verwaltet, ich gestalte.» Doch in den vergangenen Monaten haben sich, so erzählen es Insider, Hurter und Aemisegger entfremdet. Menschlich und beruflich. Kommt dazu: Auch das Verhältnis zwischen Aemisegger und AFV-Vizepräsident Luigi Ponte sei schwer angeknackst. Sie galten ebenfalls als ein Herz und eine Seele.

Nach dem Knall stellt sich die Frage: Wie weiter bei der einstigen Vorzeige-Institution AFV? Wie reagieren die Vereine auf den Eklat? Präsident Hans Aemisegger gerät in Erklärungsnot. Muss er am Ende gar zurücktreten? Fortsetzung folgt.