
Können die neuen Massentests eine zweite Welle verhindern?
Es tönt gut: Die Epidemie in Echtzeit verfolgen und die Mutationen des Virus sofort erkennen. Noch vor dem Herbst und einer möglichen zweiten Welle soll eine Technologie dafür praxistauglich sein. Entwickelt wird dieser Corona-Massentest momentan am Functional Genomics Center der ETH von Bioinformatikern und Molekularbiologen in Zusammenarbeit mit Virologen der Uni Zürich.
Die Wissenschafter verwenden dabei den Gold-Standard für Genom-Analysen: NGS – Next Generation Sequencing. Dabei wird von einer Patientenprobe die RNA des Virus isoliert und analysiert.
Mit dem Test wird nicht nur bestimmt, ob die Person aktuell mit dem Virus infiziert ist. «Wir könnten problemlos gleichzeitig noch nach anderen Viren von Atemwegserkrankungen suchen», sagt Studienleiter Ralph Schlapbach. Also Beispielsweise sehen, ob gleichzeitig zu einer zweiten Corona-Welle die Grippe aufflammt oder auch, ob der Patient Genvarianten besitzt, die ungünstig sind bei einer Covid-19-Erkrankung. «Es ist noch nicht klar, welche Gene das sind, aber wenn wir es wüssten, wäre das Aufspüren danach kein Problem.»
Das wichtigste aber: Man erfährt sofort, wenn irgendwo das Virus auftaucht und ob sich das Virus verändert hat. «Momentan machen wir im Bezug auf die Gesamtbevölkerung einen Blindflug», findet Ralph Schlapbach, «wir wissen auch nicht, welche Lockerungs-Massnahmen welchen Einfluss auf die Epidemie haben. Dafür braucht es Massentests.»
Die Infrastruktur dafür wäre bereits vorhanden
Die Antikörpertests, die momentan in der ganzen Schweiz gemacht werden (Text oben), zeigen die Infektionslage mit mindestens zwei bis drei-wöchiger Verzögerung. «So hinkt man immer hinterher», sagt Schlapbach.
Die Technik des Next Generation Sequencing befindet sich an jedem grossen Hochschulstandort – es wären also keine grossen Investitionen nötig. Zudem koste das Testen nur rund einen Zehntel der Kosten die für einen diagnostischen Corona-Test verrechnet werden, schätzt Schlapbach. Und sogar nur 2 Franken pro Test, wenn die isolierte RNA von einer Nasenabstrich-Probe schon vorliegt. Schlapbach sieht diese Massentests aber nicht als Konkurrenz zu den Corona-Infektions-Tests. Denn um den Patienten mit ihrem Test das Resultat mitteilen zu dürfen, wäre eine aufwändige Akkreditierung nötig. Für das Pandiemie-Management wäre er aber kurzfristig einsetzbar.
Bis in zwei Monaten soll der Massentest auch mit Nasen-/Rachenabstrichen möglich sein, wenn das Testverfahren empfindlicher gemacht wurde.Falls das gelingt, wird das letzte Problem ein logistisches sein: Wer macht 100000 Nasenabstriche pro Tag? Und wie bringt man so viele Leute zu Testcentern? Sie wollten ihrerseits vor allem aufzeigen, was möglich ist und dass die Technologie dafür bereit sei, sagt Schlapbach. Sein Team ist im Kontakt mit der Swiss National Covid-19 Science Task Force. (kus)