
KSA-Infektiologe Fux: «Man wird sich anstecken, aber man wird sich nicht gratis anstecken»
Christoph Fux ist Chefarzt Infektiologie und Infektionsprävention am Kantonsspital Aarau – und ein Befürworter der 2G-Regel, wie er im «Talk Täglich» von TeleM1 gegenüber Rolf Cavalli, Moderator und Chefredaktor der Aargauer Zeitung, erklärte.
2G bedeutet, dass Geimpfte und Genesene einen gesellschaftlichen Freipass erhalten, also mit Zertifikat ins Restaurant oder an Konzerte dürfen. Getesteten ist diese Freiheit in diesem Falle aber verwehrt. Der Grund: Schnelltests sind zu unsicher. Laut Fux bleibt jede sechste Infektion unentdeckt. Sollten die Massnahmen angesichts einer negativen epidemiologischen Entwicklung verschärft werden müssen, sei die 2G-Regel eine Option.
Seit Montag sind Corona-Tests nur noch in Ausnahmefällen gratis. Das Ziel des Bundesrats ist klar, der Druck auf Ungeimpfte soll erhöht werden, sich ein Vakzin spritzen zu lassen. Fux befürwortet dies: «Wir hoffen, dass der Druck aufs Portemonnaie mehr Leute zum Impfen animiert. Wir wären glücklich, wenn die Nachfrage grösser wäre.» Fux gesteht: «Wir haben nicht erwartet, dass die Impfskepsis in der Schweiz so gross ist.»
Der aggressiveren, ansteckenderen Delta-Variante könne man nicht entkommen, so Fux. Die Option «Glück haben und nicht angesteckt werden», sei zu Beginn der Pandemie eine mögliche Wahl gewesen, heute nicht mehr. «Man wird sich anstecken, aber man wird sich nicht gratis anstecken», so Fux. Denn wer schwer erkranke, lande im Spital und müsse dort behandelt werden. Das sei teuer. Und es drohe «Long Covid». Auch das sei teuer.
Rolf Cavalli fragt zurück:
«Ist es legitim, einen Drittel der Bevölkerung, den ungeimpften Drittel, vom gesellschaftlichen Leben auszuschliessen?»
Fux widerstrebt dies, wie er gesteht, aber: «Wahlfreiheit ist ein hohes Gut, Sicherheit ist aber höher zu gewichten.» Mittlerweile gebe es dank des neuen Vektor-Impfstoffs von Johnson&Johnson auch eine Alternative zur mRNA-Technik, falls jemand Bedenken habe. Was er damit meint: Die Argumente gegen eine Impfung würden immer weniger.
Bei Tests sind die Qualitäts-Unterschiede gross – und damit das Risiko
Doch warum werden die Tests plötzlich so kritisch betrachtet? Schliesslich würden sie noch immer akzeptiert und mit einem Zertifikat honoriert. Bis jetzt habe man das System «geimpft, genesen, getestet» etabliert. Nun gehe es darum, in einem nächsten Schritt das schwächste Glied zu eliminieren – und das seien die Tests. Auch wenn es hier qualitative Unterschiede gebe zwischen einem PCR-Test und einem Nasenabstrich, so würden dennoch je nach Testvariante bis zu 50 Prozent der Infektionen nicht erkannt. Fux: «Das Risiko ist zu gross.» Besonders bei Nasenabstrichen, nur leicht besser seien die Nasen-Rachen-Tests.
Warum aber erhält man ein Zertifikat, wenn Tests so unsicher sind? Das hänge mit der EU zusammen. Sie akzeptiere die schlechteren Tests für ein Zertifikat. Die Schweiz wiederum akzeptiert dies gemäss Fux, damit die eigenen Zertifikate im EU-Raum anerkannt würden. Ändere die EU ihre Haltung gegenüber den Tests, werde das auch die Schweiz tun.
Die Schweiz bleibe dennoch handlungsfähig, indem sie die Qualität der Tests im Auge behalte. Fux:
«Der Preiskampf um Test macht uns grosse Sorgen. Er eskaliert. Es stellen sich mir schon Fragen, wenn sie für nur 11 Franken angeboten werden.»
Damit spricht Fux den Konkurrenzkampf unter den privaten Testcentern an. Er befürchtet, dass so die Sicherheit leidet. Das befürchten übrigens auch Bund und Kantone. Aus diesem Grunde müssen Testcenter neu unter der Verantwortung von Ärztinnen, Apothekern oder Laborleitenden stehen, wie am Dienstagnachmittag am Point de Presse der Experten des Bundes erklärt wurde.
KSA-Umfrage zeigt: 90 Prozent des Personals ist geimpft
Moderator Cavalli hakt bei der Impfskepsis nach, diese sei ja gerade auch beim Gesundheitspersonal gross, also dort, wo man es besser wissen müsste. Fux sieht das anders: «Da muss ich widersprechen.»
Am Kantonsspital Aarau sei eine Umfrage beim Personal gemacht worden. Es habe sich herausgestellt, dass über 90 Prozent geimpft sei. Die Umfrage wurde laut Fux über das Personalbüro abgewickelt. Er selbst wisse nicht, welche Mitarbeitenden auf ein Vakzin verzichtet hätten. Das Personalbüro gehe in einem nächsten Schritt auf die Betroffenen zu und versuche sie zu überzeugen.
«Ist die Pandemie im Frühling 2022 vorbei», fragt Moderator Cavalli zum Schluss des Talks? Fux: «Kommt auf die Impfquote an. Mit der hoch ansteckende Deltavariante des Virus sollten wir eine Quote von 85 Prozent erreichen.» Aktuell sind gut 60 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, 5 Prozent haben eine erste Dosis erhalten.