Kurzer Griff zur Colaflasche reicht für einen langen Ausweis-Entzug

Auch wenn die Staatsanwaltschaft bloss einen Strafbefehl wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln ausstellt, kann die Motorfahrzeugkontrolle Autofahrern den Fahrausweis für ein ganzes Jahr entziehen. Dazu kann ein kurzer Griff nach einer Colaflasche während der Fahrt reichen, wie ein Automobilist erfahren musste, der sich gegen diese Sanktion wehren wollte. Er ist mit seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht abgeblitzt.

Es geht um einen Auffahrunfall, der sich im April 2019 vor einer Ampel ereignete. Besagter Automobilist griff eben nach einer Colaflasche (oder richtete sogar nur einen suchenden Blick darauf, das ist strittig) in der Mittelkonsole seines Wagens und konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen, als die Ampel auf rot schaltete. Er fuhr dem Wagen vor ihm ins Heck. Bloss eine leichte Kollision, wie er im Beschwerdeverfahren unter anderem geltend machte. Allerdings sah das Verwaltungsgericht nun schon das etwas anders angesichts der Tatsache, dass an beiden beteiligten Wagen Totalschaden entstanden war.

Wie auch immer: In der Tat hatte die Staatsanwaltschaft ihren ersten Strafbefehl auf eine Einsprache hin im Oktober 2019 von grober auf einfache Verkehrsregelverletzung korrigiert. Im Dezember, kurz vor Weihnachten, kam dann aber die Verfügung der Administrativbehörde: Ausweisentzug von zwölf Monaten infolge schwerer Widerhandlung gegen die Bestimmungen des Strassenverkehrsgesetzes. Höchstens ein Monat wäre gerechtfertigt gewesen, glaubte der fehlbare Automobilist. Es sei doch wohl kein Fall denkbar, in dem eine einfache Verkehrsregelverletzung administrativrechtlich dann plötzlich zur schweren Widerhandlung wird, versuchte er sich in seiner Beschwerde zu wehren.

Irrtum. Das Verwaltungsgericht hält in seinem Urteil zwar tatsächlich fest, dass die für den Fahrausweisentzug zuständige Verwaltungsbehörde bei einem Warnungsentzug «grundsätzlich nicht von den Tatsachenfeststellungen des rechtskräftigen Strafentscheids abweichen» dürfe. Aber: In der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts, insbesondere auch des Verschuldens, sei die Verwaltungsbehörde demgegenüber frei. Und da kommen die Oberrichter zum gleichen Schluss wie die Verantwortlichen der Motorfahrzeugkontrolle.

Indem der Automobilist trotz der kurzen Distanz zur Lichtsignalanlage seine Aufmerksamkeit willentlich vom Verkehrsgeschehen abwandte, habe er die Gefahr einer Auffahrkollision oder des Überfahrens des Rotlichts in Kauf genommen. Und ein solches Verhalten könne im Zusammenhang mit dem Verlust der Herrschaft über das Fahrzeug «nur als grobfahrlässig und damit als schweres Verschulden» bezeichnet werden, so das Urteil.

Es sei «nur dem Zufall zuzuschreiben, dass keine der beteiligten Personen schwere Verletzungen erlitten hat», so das Verwaltungsgericht. Was Letzteres betrifft, urteilten die Richter bei der Beurteilung des Falls im Übrigen nach dem Prinzip «in dubio pro reo»: Nachdem die Unfallgegnerin laut Polizeibericht äusserlich nicht verletzt gewesen sei, sei zu Gunsten des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass sie sich tatsächlich nicht verletzt hatte – auch wenn zwischenzeitlich die Berner IV-Stelle ein IV-Abklärungsverfahren in dem Fall führt.