KVG: Luzerner Regierungsrat ist für einen «Experimentierartikel»

Mit der ein Dutzend Eingriffe umfassenden Liste «ambulant vor stationär» hat der Kanton Luzern einen ersten Pflock zur Kosteneindämmung im Gesundheitswesen eingeschlagen. Und nimmt damit eine Pionierrolle ein. Ein erstes Fazit fiel diesen Frühling positiv aus. Innerhalb von sechs Monaten konnten 1,5 Millionen Franken eingespart werden. Doch wo lassen sich noch weiter Gesundheitskosten sparen? In einer Antwort auf die Anfrage der SP-Kantonsrätin Yvonne Zemp Baumgartner (Sursee) nimmt der Luzerner Regierungsrat Stellung. Der Kanton will beispielsweise die Festsetzung eines Globalbudgets oder eine verbindliche Vorgabe für das Kostenwachstum evaluieren. Die Regierung weist jedoch darauf hin, dass man noch weitere Abklärungen dahingehend benötigt, was die Folgen für die Versorgung sind, aber auch bezüglich der Eignung eines solchen Zieles. Des Weiteren solle das Spitalangebot «noch intensiver interkantonal geplant und koordiniert werden». Die Förderung von Fallpauschalen soll bei Tarifierung und Vergütungen «falsche Anreize» ausmerzen. «Der Regierungsrat als Tarifgenehmigungs- und -festsetzungsbehörde unterstützt das Vorhaben nach seinen Möglichkeiten.» Die Luzerner Regierung ist für einen «Experimentierartikel» im Bundesgesetz für Krankenversicherung (KVG), «…damit die Kan-tone innovative Pilotprojekte starten könnten (z.B. Fallpauschalen für bestimmte Di-agnosen, die unabhängig gelten, ob der Eingriff stationär oder ambulant erfolgte).» Und er erachtet die Initiative «smarter medicine» als wichtig. «Nebst medizinischen Fach- und Berufsorganisationen unterstützen auch Patienten- und Konsumentenorganisationen die Stossrichtung der Kampagne. Sie möchten gemeinsam die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren, dass bei gewissen Behandlungen weniger Medizin mehr Lebensqualität für die Betroffenen bedeuten kann.»

«Sehr spitallastig»
Zu den doch relativ allgemein gehaltenen Antworten des Regierungsrates erklärt die für die Anfrage verantwortliche Kantonsrätin Yvonne Zemp: «Das Hauptproblem, und deshalb sind vermutlich auch die Aussagen etwas vage, liegt darin, dass das Gesundheitswesen mehrheitlich privatisiert oder teilprivatisiert ist. Die Kosten sind durch die Prämien und die Beiträge der Kantone fast in jedem Fall gedeckt. Dies führt zu einer Selbstbedienungsmentalität sowohl bei den Anbietern als auch bei den Patienten.» Die politische Steuerung sei nur mehr schwer möglich, so Zemp. «Wir sind bald an einem Scheideweg: mehr Privatisierung oder mehr Staat. Ich meine, solange die Kosten solidarisch von der Bevölkerung getragen werden, braucht es eine staatliche Steuerung, vermutlich sogar eine noch stärkere Steuerung, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Yvonne Zemp Baumgartner erachtet die vom Regierungsrat vorgebrachten Massnahmen als «sehr spitallastig und auf die Leistungen fokussiert. Smarter medicine ist als Ausnahmebeispiel zu würdigen. Die Zulassung von Spezialärzten wirkt sich zum Beispiel direkt auf die Kostenentwicklung aus. Die fehlenden Hausärzte führen ebenfalls zu höheren Kosten.» Die Kantonsrätin ist aber nicht nur kritisch. Gegenüber dieser Zeitung macht sie auf konkrete Massnahmen aufmerksam: «Kosten vermeiden wäre der erste Punkt: Unnötige Behandlungen verhindern, Material im Spital nachhaltig und ökonomisch einsetzen.» Sparpotenzial sieht sie auch bei den Medikamenten und Honoraren. «Die Medikamentenkosten sind ein nationales Thema. Die Arzthonorare dürfen kein Tabu sein und müssen so ausgestaltet werden, dass bei tieferen Tarifpunkten nicht einfach die Menge beliebig ausgeweitet werden kann.» Und: «Die Bewilligung von Arztpraxen müsste gezielter sein. Hausarztpraxen braucht es, Spezialärzte in vielen Bereichen gibt es zu viele. Hier muss der Kanton steuern. Zu wenige Hausärzte verteuern das System, weil dann schneller der Spezialarzt zugezogen wird.»

Einzelzimmer hinterfragt
Zu den Spitälern erklärt Zemp, dass der Kanton Luzern bezüglich Anzahl gut aufgestellt sei. «Die Infrastruktur wird in einem sehr hohen Ausbaustandard errichtet. Einzelzimmer, wie sie in Wolhusen geplant sind, verlangen einen höheren Betreuungsbedarf als in Mehrbettzimmern, wo eine gewisse gegenseitige Hilfe und soziale Kontrolle besteht. Zudem ist für mich fraglich, ob Einzelzimmer wirklich für die meisten Patientinnen und Patienten ein Bedürfnis sind.»