«Lidl-Lastwagenflut»: Der Regierungsrat ist gefordert

Der politische Druck auf das geplante Verteilzentrum des Detailhändler Lidl in Roggwil ist massiv. Auf dem Gugelmann-Areal soll auf dem 150 000 Quadratmeter grossen Grundstück das dritte Verteilzentrum des Detailhändlers entstehen. Konsequenzen hätte der etwa 640 Meter lange Bau verkehrstechnisch vor allem für die Region Zofingen. 710 Lastwagen und 520 Personenwagen-Fahrten soll das Vorhaben an Werktagen gemäss dem Verkehrsgutachten verursachen. Der Grossteil der Lastwagenfahrten soll über die Autobahnanschlüsse Rothrist und Reiden abgewickelt werden. Gegen das Vorhaben haben die Gemeinde Rothrist und der Regionalverband Zofingenregio bei der Gemeinde Roggwil je einen Einwand deponiert. Bis 25. November lief die öffentliche Mitwirkung zur Zonenplan- und Baureglementsänderung Brunnmatt (siehe gestrige Ausgabe).

Grossrat Hottiger will Antworten vom Regierungsrat

Gestern hat nun der parteilose Grossrat Hans-Ruedi Hottiger in Aarau nachgedoppelt. Er hat im Grossen Rat eine Interpellation eingereicht. «Das Lidl-Vorhaben zeigt auf, dass eine überkantonale Abstimmung von raumwirksamen Tätigkeiten und deren Auswirkungen in Nähe der Kantonsgrenze zwingend notwendig ist», erklärt der Zofinger Stadtammann und Präsident des Regionalverbandes Zofingenregio. Im bisherigen Raumplanungsprozess fehle die Zusammenarbeit mit den betroffenen Kantonen, den Regionalplanungen und den Gemeinden. «Dabei sind die Wohnquartiere, Strassen und die Umwelt unserer Region massgeblich von den negativen Auswirkungen betroffen.»

Denn während beim Roggwiler Gemeinderat und dem Kanton Bern Freude herrscht, überwiegen in der Region Zofingen die Sorgen. Der Berner Regierungsrat will das Verfahren für das Warenverteilzentrum prioritär behandeln. In Roggwil sollen 250 neue Arbeitsplätze entstehen, zudem sind 15 weitere Lidl-Verkaufsfilialen im Kanton Bern mit etwa 300 Arbeitsplätzen geplant. Stossend findet Grossrat Hottiger, dass die betroffenen Gemeinden nicht offiziell informiert worden sind. «50 Prozent des Schwerverkehrsaufkommens, das bedeutet 355 Lkw-Fahrten täglich, sollen über den Autobahnanschluss Rothrist und damit über Aargauer Kantonsgebiet abgewickelt werden.» Da das Verfahren von der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern in einem priorisierten Verfahren unterstützt und eng begleitet wird, beruft sich Hottiger auf das Raumplanungsgesetz. Dieses verpflichte die Kantone zur Zusammenarbeit, wenn sich ihre Aufgaben berühren. Zudem würden Vorhaben mit gewichtigen Auswirkungen auf Raum und Umwelt eine Grundlage im kantonalen Richtplan brauchen. So möchte Grossrat Hottiger mit seiner Interpellation vom Regierungsrat unter anderem erfahren, ob die Kantone Aargau und Bern ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit im grenznahen Gebiet genügend nachkommen.

«Die Kantone sind im ständigen Austausch», sagte gestern Daniel Kolb, Leiter der Abteilung Raumentwicklung des Aargauer Departements Bau, Verkehr und Umwelt. Er versicherte, dass das Vorhaben und die verkehrstechnischen Auswirkungen genau überprüft werden und der Kanton die betroffenen Gemeinden und den Regionalverband Zofingenregio miteinbeziehen werde.

Auch in Reiden herrscht keine Freude über das Verteilzentrum

Bedenken weckt der Standort Roggwil auch in Reiden. «Die Lkws brauchen rund 20 Minuten, um zum Autobahnanschluss nach Reiden zu gelangen», sagt Willi Zürcher, Vizegemeindepräsident von Reiden. Zudem befürchtet die Gemeinde zum Mehrverkehr auch die Rückstaus. «Zu bedenken gilt, dass die Autobahnein- und -ausfahrten nicht für dieses Verkehrsaufkommen konzipiert sind.»

Gemischte Gefühle weckt das Vorhaben auch beim Murgenthalter Gemeindeammann Max Schärer: «Natürlich reissen wir uns nicht um den Mehrverkehr und sind davon auch nicht begeistert. Wir gehen aber auch nicht auf Fundamentalopposition.» Murgenthal habe selber keinen Einwand in Roggwil deponiert, da die Gemeinde zum Regionalverband Zofingenregio gehört. «Der Gemeinderat hat seine Bedenken dort geäussert und ist der Meinung, dass wir so gut vertreten sind.» Der Schwerverkehr durch sein Dorf ist für Ammann Schärer nichts Neues. «Der Wegzug des Transportunternehmens Schöni von Wynau nach Rothrist war verkehrstechnisch eine Entlastung für uns. Mit dem Lidl-Verteilzentrum haben wir dann wieder eine Belastung.» Schärer sieht aber auch den wirtschaftlichen Nutzen: «Jede und jeder von uns ist darauf angewiesen, dass er die Güter des täglichen Bedarfs in Läden einkaufen kann, und diese müssen auch beliefert werden.» Zudem würden 250 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Den wirtschaftlichen Nutzen seines Verteilzentrums streicht auch Lidl Schweiz hervor. «Für die Realisierung des Projekts rechnen wir mit einer Investition in die Region in dreistelliger Millionenhöhe», sagt Corina Milz, Kommunikationschefin Lidl Schweiz. Läuft alles nach Plan, möchte Lidl im Jahr 2024 das dritte Verteilzentrum in Roggwil eröffnen. «Da der Baugrund einer aufwendigen Vorbehandlung bedarf, wird eine Bauphase nicht vor Mitte 2022 möglich sein.» Ob das Land die Hand wechselt, entscheidet sich Ende des nächsten Jahres. «Bis dann prüfen wir auch, ob wir das Projekt auf wirtschaftlich vertretbare Weise realisieren können.»