
«Linksradikal», «Gewerbe zerstören»: SVP kämpft im Trump-Stil gegen Konzerninitiative
Die Konzernverantwortungsinitiative, über die am 29. November abgestimmt wird, sei «linksradikal». So steht es auf dem Kampagnensujet der SVP, das über Social Media lanciert worden ist und in den nächsten Tagen auch auf Plakaten und Inseraten zu sehen sein wird.
«Linksradikale Unternehmensverantwortungsinitiative NEIN», heisst es unter dem Titel «Schweizer Gewerbe zerstören?» Die Anzeige zeigt einen Hammer, der ein Firmengebäude zerstört:
Der Begriff «linksradikal» lässt aufhorchen. Er wird im Schweizer Politalltag kaum je verwendet, ebenso wenig wie «rechtsradikal». Meist erscheinen diese Wörter bloss im Zusammenhang mit extremistischer Gewalt.
Warum taucht der Begriff jetzt plötzlich in einer Abstimmungskampagne auf? SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sagt: «Diese Initiative kommt aus linken Kreisen, und sie ist radikal, weil sie bis zu 80’000 KMU trifft. Darum ist der Begriff linksradikal treffend.»
Das gilt indes noch für viele Initiativen oder Vorstösse. Trotzdem werden solche Begehren hierzulande kaum je als links- oder rechtsradikal taxiert. Die Vermutung liegt nahe: Der Begriff ist ein Import aus den USA, wo Donald Trump in Tweets und Reden die Demokraten regelmässig als «radical left» bezeichnet.
In Hunderten von Tweets kommt dieser Begriff vor – gegen die Demokraten allgemein, gegen Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi und jetzt auch immer öfter gegen Joe Biden, der in Wahrheit ein moderater Demokrat ist.
Glaubt man bei der SVP, mit dem Trump-Stil in der Schweiz punkten zu können? Thomas Aeschi zeigt sich überrascht über diese Frage: «Mit Donald Trump hat das nichts zu tun. Ich selber bin auch überhaupt nicht Trump-orientiert.»
Es sei, sagt Aeschi, der Stil der SVP, und man glaube, mit diesen Sujets die eigenen Leute anzusprechen und zu mobilisieren: «Die Kantonalparteien bekommen die Plakate in den nächsten Tagen und wir hoffen, dass sie den Leuten bewusst machen, dass diese Initiative nicht einfach gegen Glencore oder ähnliche Grosskonzerne gerichtet ist, sondern gegen das gesamte einheimische Gewerbe.»
Stimmt die Aussage, dass alle Firmen betroffen wären?
Aber stimmt diese Aussage? Tatsache ist: Die Initiative will, dass Schweizer Unternehmen für Schäden haften, die von ihnen kontrollierte Firmen im Ausland verursacht haben. Das gilt grundsätzlich für alle Firmen, ob gross oder klein, ob Konzern oder Gewerbebetrieb. Entscheidend ist einzig, dass das Unternehmen den Sitz oder eine Hauptniederlassung in der Schweiz hat.
Der Initiativtext sieht aber vor, dass der Gesetzgeber Rücksicht nimmt auf die «Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen, die geringe Risiken aufweisen». Das Parlament hätte bei der Umsetzung also einen gewissen Ermessensspielraum.
Das Werbebüro hat schon andere auffällige Kampagnen kreiert
In der Sache hat Aeschi recht, zumindest theoretisch. Anders verhält es sich beim Begriff «linksradikal». Die Initiative wird nicht nur von den links-grünen Parteien unterstützt, sondern bis weit in die Mitte hinein, offiziell etwa von der jungen CVP und von 350 bürgerlichen Politikerinnen und Politikern, die ein eigenes Pro-Komitee gegründet haben.
Alles Leute, die schwerlich als linksradikal bezeichnet werden können – ebensowenig wie die Kirchen und Hilfswerke, die sich für die Initiative einsetzen. Dagegen sprechen sich die Wirtschaftsverbände, der Bundesrat sowie SVP, FDP und CVP aus.
Bei ihrer Kampagne gegen die Konzernverantwortungsinitiative hat die SVP auf die Werbeagentur Goal des deutschen PR-Beraters Alexander Segert gesetzt. Sein Büro ist berühmt-berüchtigt für provokative Inserate und Plakate.
So machte etwa ihr Sujet für die Minarettinitiative 2009 international Schlagzeilen. Zumindest was den optischen Stil betrifft, war die SVP Donald Trump also um Jahre voraus.