Mall of Switzerland: Das grosse Warten aufs Wochenende

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Geschichte der Mall

Im Jahr 2005 bewilligte die Ebikoner Gemeindeversammlung den Bebauungsplan, auf dem die Mall of Switzerland basiert. Nachdem der erste Investor abgesprungen war, konnte mit der Tochtergesellschaft der Silver Holdings SA eine neue Geldgeberin gefunden werden. Die Immobilien-Investment-Gesellschaft ist im Besitz der Abu Dhabi Investment Authority (ADIA), eines Staatsfonds des Emirats. Die Grundsteinlegung erfolgte am 11. Juni 2014. Der Rohbau wurde am 23. Dezember 2015 nach eineinhalb Jahren fertiggestellt. Die Mall hätte am 28. September eröffnet werden sollen. Wegen Umbauarbeiten verzögerte sich die Eröffnung um einen Monat. Am 8. November 2017 hat die Mall of Switzerland offiziell ihre Türen geöffnet. (rzu)

Steht man vor ihr, hat man den Eindruck, man stehe vor dem Ayers Rock. Nur ist sie weiss, steht in Ebikon und ist ein Einkaufszentrum: die Mall of Switzerland. Ähnlich wie der Berg auf der anderen Seite der Erde soll das zweitgrösste Einkaufcenter der Schweiz das Land repräsentieren – und Touristen anziehen.

Vor ungefähr vier Monaten wurde die Mall of Switzerland eröffnet. Die Planungsphase dauerte zwar nicht so lange wie die mehrfache Faltung des fossilen Sedimentbeckens des Ayers Rock – aber auch lange: zwölf Jahre (siehe Box). Die Baukosten betrugen 450 Millionen Franken, bezahlt aus dem Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate.

Verweilen länger als erwartet
Ansonsten ist die Mall of Switzerland ziemlich schweizerisch. Kaum betritt man das Einkaufscenter, geht es bergauf. Die Rolltreppen kriechen im Stromsparmodus über die vier Etagen, bis sich wieder jemand auf sie stellt und sie beschleunigen können. Es ist Dienstag, 10 Uhr. Die Menschen in der Schweiz arbeiten, viel ist nicht los. Drei Frauen mittleren Alters schlendern gemeinsam durch die Gänge. Alle tragen eine Einkaufstasche in der Hand. Sie selbst sind verpackt in glänzenden grünen, violetten und pinken Daunenjacken. Sonst ist da niemand im Umkreis von fünfzig Metern. Die Frauen wandeln auf dem Terrazzo-Boden und springen mit den Augen von Kleiderpuppe zu Kleiderpuppe. Nur wenige pflügen hier eine gerade Spur durch das Einkaufscenter. Wenn, dann sind das meistens Angestellte der 86 Mieter des Einkaufszentrums. Restaurants, Modeläden und sogar Autohändler sind hier einquartiert. In die Mall geht man aber nicht, um ein Auto oder ein Shampoo zu kaufen. Das ist auch nicht das Ziel der «kleinen Schweiz». Die Besucher sollen kommen, um sich zu vergnügen – und um nebenbei noch ein Auto und ein Shampoo zu kaufen. Surfwelle, Kino und Fitnesscenter heissen die Angebote, die Gäste in die Mall ziehen sollen. Das Kino und das Fitnesscenter sind bereits in Betrieb. Die grosse Surfwelle, die eigentlich gar nicht so ins Konzept der kleinen Schweiz passt, soll nach Verzögerungen im Sommer eröffnet werden. Der Plan scheint aufzugehen. Mall-Sprecher Werner Schaeppi sagt, dass die Besucher länger in der Mall verweilen, als in «konventionellen» Einkaufcentern. Im Durchschnitt über drei Stunden. Sie kaufen ein, setzen sich auf die flippigen bunten Sitzgelegenheiten oder gehen ins Restaurant.

Tesla verlängert Mietvertrag
Die ersten zwei Monate liefen gut. Viele «Gwunderi» besuchten die Mall, Neugierige aus der ganzen Schweiz. Der Januar und Februar waren weniger erfolgreich. «Das entspricht un-seren Erwartungen», so Werner

Schaeppi. Wie viele die Mall täglich besuchen, will Schaeppi nicht sagen. Es seien aber um einige Tausend. Die Mall ist verwinkelt und widerspiegelt die kleinräumige Schweiz. Zudem ist sie gross (65 000 Quadratmeter) und verschluckt viele Leute. Dennoch: In vielen Shops sind die Verkäuferinnen und Verkäufer unter sich. Sie stehen oder sitzen im Laden. Beobachten die schlendernden Besucher oder vergraben sich hinter Bildschirm und Theke. Viele warten. Sie warten auf Samstag. Oder wenigstens auf Donnerstag und Freitag – dann, wenn Abendverkauf und etwas los ist. Auch die provisorischen kleinen Surfanlagen werden jeweils erst ab Freitag betrieben.

Das Einkaufsverhalten hat sich seit dem Ja an der Gemeindeversammlung 2005 stark verändert. Die Mall of Switzerland stand deshalb im Vorfeld der Eröffnung viel in der Kritik: Braucht es noch ein weiteres Einkaufscenter? Die Mieter geben der Mall recht. Aber ist sie nur ein Showroom für Marken? Daniel Camenzind, Regionalleiter vom Touristikkonzern TUI, verneint. «Wir eröffnen kein Büro nur für Marketingzwecke», sagt Camenzind vor einem riesigen Sandstrand-Bild in der TUI-Filiale. «Wir sind definitiv auf Plan mit den Umsätzen. Mit der Neueröffnung wollen wir auch wachsen.» Offenbar rechnet sich die Miete auch für Tesla: Die Elektroauto-Herstellerin hat den befristeten Mietvertrag nach zwei Monaten bereits verlängert.

Da sind sie wieder – die drei Frauen mit den Daunenjacken. Mittlerweile stehen sie im obersten Stockwerk, sehen sich gegenseitig an, reden miteinander, drehen sich um und laufen weiter in Richtung Parkhaus. Auf dieser Etage steht die Hälfte der Fläche leer, abgesperrt mit Trennwänden. Diese Wände sind zwar kreativ gestaltet, mitunter kann man Knöpfe betätigen und der Schrei eines Adlers hallt durch die Mall. Insgesamt sind aber 20 Prozent der Ladenflächen in der Mall of Switzerland nicht vermietet. Werner Schaeppi sagt, dass der Eigentümer darin durchaus einen Vorteil sehe, weil damit ein gewisser Gestaltungsraum in puncto Mietermix erhalten bleibe. Künftig sollen Bücher- und Musikläden das Angebot abrunden. Zurzeit hat es vor allem Modeläden.

Kein Gebetsraum
Mittlerweile ist Mittagszeit. Die Restaurants im obersten Stock sind gut gefüllt. Die arbeitende Bevölkerung ist in die Mall gekommen, um zu essen. Es gibt Pasta und asiatische Gerichte. Über die Woche verteilt besuchten aber vor allem junge Leute das Einkaufszentrum. «Das Publikum der Mall ist jünger als erwartet», sagt Werner Schaeppi. Die Betreiber hätten mehr Familien erwartet. Verwunderlich ist das nicht. Die Mall bietet wie alle anderen Einkaufscenter einen öffentlichen Ort, wo man sich mit Freunden treffen kann. Im Strassen-Dorf Ebikon gibt es sonst kaum öffentliche Plätze. Ohne Konsumation gibt es aber nicht viel zu tun in der Mall. Zu den Service-Dienstleistungen des Einkaufszentrums gehören Schuh- und Schlüsseldienst, Textilreinigung, Bancomat, Garderobe, Coiffure und Servicepoint. Unentgeltlichen Service gibt es kaum. Da sind zwar Spielereien wie eine Selfiewand, aber ein Ort, an dem man mehrere Stunden verbringen soll, müsste zum Beispiel auch über einen Gebetsraum verfügen, wie es an Flughäfen üblich ist. Ein solcher war sogar geplant. Der Betreiber habe sich aber leider von dem Engagement zurückgezogen, sagt Schaeppi. Ein Besuchermagnet wäre dieser Raum wohl aber nicht geworden.