Marco Schneuwly über seine besondere Sponsorin, sein Grosi, und den «Abstieg» in die Challenge League

Auch neben dem Platz hat der Name Marco Schneuwly Strahlkraft. Wenn einer der besten Schweizer Stürmer dieses Jahrzehnts nach Aarau kommt, weckt das Interesse. Mehr noch: Der Transfer löste eine kleine Euphorie aus. FCA-Präsident Alfred Schmid verrät: «Seit dem Schneuwly-Transfer ist die Nachfrage nach Saisonabos gestiegen.» Zwei Tage nach der Unterschrift unter den Vertrag bis 2020 bestritt Schneuwly am Mittwoch das erste Testspiel für seinen neuen Arbeitgeber und erzielte beim 2:2 gegen Kriens auf Anhieb ein Tor. Ein Gespräch.

Zahlt Ihre Grossmutter Ihnen immer noch für jedes Tor einen Fünfliber?

Marco Schneuwly: Ja, aber nur für offizielle Tore. Testspiele zählen nicht.

Sie spielen künftig in der Challenge League, halbiert sich nun die Prämie auf 2.50 Franken?

Darüber haben wir noch nicht gesprochen (lacht). Ich gehe davon aus, dass mein Grosi grosszügig bleibt.

Wie kam es zu dieser Torprämie?

Es begann mit meinem älteren Bruder Lukas. Als ich und Christian dann auch in den FC gingen, musste sie bei uns nachziehen.

Sie haben in Ihrer bisherigen Karriere über 160 Tor erzielt. Kein schlechtes Gewissen gegenüber der Grossmutter?

Nicht wenn ich sehe, wie sie sich über unsere Tore freut. Und wir revanchieren uns regelmässig mit einem feinen Essen.

Ich gehe davon aus, dass Sie bessere Angebote hatten. Warum sind Sie zum FC Aarau gewechselt?

Weil ich gerne selber entscheide, wo und für welchen Klub ich spiele. Zum Glück war das bislang immer so. Ich will machen, was für mich stimmt. Seit ich Ende Mai mit Sandro Burki und Patrick Rahmen die ersten Gespräche geführt habe, hatte ich ein gutes Gefühl.

Sie hätten auf bessere Angebote warten und allenfalls erst später zum FC Aarau wechseln können.

Wir haben abgemacht, dass ich mich bis Ende Juni entscheide. Es war klar: Wenn die Möglichkeit für ein Ausland-Abenteuer besteht, dann hätte ich das gemacht. USA, Asien oder Australien hätten mich gereizt. Andererseits wollte der FCA bis Ende Juni Klarheit auf der Stürmerposition. Ich wollte auch nicht bis im August warten und dann zu dem Klub gehen, der noch übrig ist. Ich mag Sicherheit.

Trotz 33 Jahren sind Sie noch für Tore in der Super League gut.

Davon gehe ich aus. Aber ich habe die Super League nicht gesucht und habe kein Problem damit, in die Challenge League zu gehen.

Ihr Vertrag bei Sion lief bis 2019. Hat Präsident Christian Constantin Sie ablösefrei ziehen lassen?

Nach der vergangenen Saison hatte ich mit CC ein offenes Gespräch, in dem ich ihm klarmachte, dass ich nicht das Risiko eingehen will, künftig Joker oder Tribünenhocker zu sein. Er hat das verstanden und mich freigegeben.

Beim FC Aarau trifft Schneuwly auf viele alte Bekannte. Gemeinsam mit Sportchef Burki wurde er 2002 U17-Europameister. Als Schneuwly am 7. November 2004 als Einwechselspieler von YB sein Super-League-Debüt feierte, sass auch Burki auf der YB-Bank und kam wenig später ins Spiel. Mit den FCA-Profis Nicolas Schindelholz, Michael Siegfried und Elsad Zverotic hat Schneuwly in der Super League zusammengespielt. Goalietrainer Flamur Tahiraj kennt er aus Kriens, Chefcoach Patrick Rahmen und Konditionstrainer Norbert Fischer aus der gemeinsamen Zeit beim FC Luzern. Die Integration im Brügglifeld dürfte problemlos verlaufen, sodass er sich rasch auf seine Hauptaufgabe konzentrieren kann.

Seit dem Abstieg 2015 ging es mit dem FCA bergab. Wie haben Sie das aus der Distanz wahrgenommen?

Für meine Generation gehört der FC Aarau zum Inventar der Super League. Ein Freund von mir, von dessen Tochter ich Götti bin, wohnt in Aarau und geht an die Spiele. Von ihm weiss ich, dass es zuletzt nicht so schön war. Aber das ist Vergangenheit. Ich möchte mithelfen, dass die Fans wieder Freude haben an der Mannschaft.

Die Erwartungen an Sie sind hoch, Sie sind der Königstransfer.

Das ist mir bewusst, aber Fussball ist keine One-Man-Show. Und heutzutage werden Stürmer nicht nur an Toren, sondern genauso an Assists und an der Spielbeteiligung gemessen. Wie viele Tore ich schiesse, hängt auch vom Spielsystem ab. Wenn ich vorne als Prellbock eingeplant bin, werden es wohl automatisch weniger sein.

Der FC Aarau ist wegen der Stadion-Abstimmung und dem damit verbundenen drohenden Verschwinden aus dem Profifussball zu besseren Resultaten verdammt.

Die Situation ist mir bekannt. Alles kann man als Spieler nicht beeinflussen, es steht auch ein Gegner auf dem Platz. Schlechte Tage, an denen nichts gelingt, gibts im Fussball. Wir dürfen uns einfach nie vorwerfen lassen, nicht alles gegeben zu haben.

Sie liegen in der ewigen Super-League-Torschützenliste acht Tore hinter Marco Streller (103:111). Holen Sie ihn noch ein?

Solange ich spiele, habe ich dieses Ziel.

Dafür müsste der FC Aarau in der nächsten Saison aufsteigen. Sie als ewiger Super-League-Profi müsste es doch in Ihr Revier zurückziehen.

Ich weiss, worauf Sie hinauswollen. Doch für Zielformulierungen ist es zu früh. Für Erfolg muss alles stimmen, vor allem das Teamgefüge. Ob es in einer Mannschaft passt, zeigt sich schnell. Und am besten dann, wenn es sportlich mal nicht gut läuft.

Sind Sie sich bewusst, dass Sie in Aarau etwas gutzumachen haben? In 22 Spielen gegen den FCA haben Sie 13 Mal getroffen.

(lacht). Nach der Vertragsunterzeichnung wurde ich direkt darauf angesprochen. Mir lief es gegen keinen Klub besser als gegen Aarau. Im Fussball passieren unerklärliche Dinge. Nun habe ich zwei Jahre Zeit, das zu korrigieren.

Vor einem Jahr galten Sie als bester Schweizer Super-League-Stürmer. Haben Sie damals von der WM-Teilnahme 2018 geträumt?

Das Thema ist schon länger abgehakt. Das Zeichen, gefragt zu sein, hätte früher kommen müssen. Vielleicht mal ein Aufgebot für ein Testspiel.

Sind Sie enttäuscht, dass trotz Ihrer Torquote nie ein Aufgebot kam?

Ich hätte gerne für die Schweiz gespielt. In dieser Angelegenheit kann ich nur 50 Prozent mit meiner Leistung im Klub beeinflussen. Die anderen 50 Prozent sind beim Trainer. Jeder hat seine Vorstellungen und wählt seine Spieler dafür aus. Wenn es sportlich läuft, dann gibt es keinen Grund für Wechsel. Ich kann das verstehen.

Die Super League ist in der Nationalmannschaft praktisch nicht vertreten. Zu Recht oder zu Unrecht?

Viele junge Spieler gehen früh ins Ausland. Jene, die sich durchsetzen, sind automatisch in der Poleposition.

Frage zum Schluss: Ist Aarau die letzte Station in Ihrer Profikarriere?

Jetzt, wo Sie fragen: Die Vorstellung gefällt mir. Doch wir beide wissen: Im Fussball sollte man sich nie festlegen.

Von Sebastian Wendel