
Marco Thaler wieder im Gleichgewicht
Stammspieler. Marco Thaler greift ein, bevor die letzte Silbe ausformuliert ist. Nein, sagt er, so würde er sich nicht nennen. Aus Respekt vor den Mitkonkurrenten, die um die Position kämpfen. Auch, weil es immer nach Endprodukt klinge, als Stammspieler bezeichnet zu werden. So weit sei er noch nicht. Und überhaupt: «Ich habe doch erst vier Ligaspiele in den Beinen.»
Welche Zuschreibung man auch immer wählt, so lässt sich nicht verkennen, dass Thaler seit dem 10. September in jedem Pflichtspiel auf dem Platz gestanden hat. Immer von Anfang an, bis auf eine Ausnahme jeweils über 90 Minuten, meist äusserst überzeugend. In Yverdon war der Innenverteidiger erstmals in die Rotation gerutscht. Es war eine Rückkehr für Thaler, der seit 2014 beim FC Aarau unter Vertrag steht. Zugleich war es eine Premiere: das erste Meisterschaftsspiel in dieser Saison – und das erste überhaupt unter Trainer Stephan Keller. Als Thaler im Februar 2020 ein letztes Mal in der Challenge League aufgelaufen war, stand an der Seitenlinie noch Patrick Rahmen.
Das Ringen zwischen Vernunft und Verlangen
Er fühle sich gut, sagt Thaler in dieser Woche im Gespräch. Spiel für Spiel stecke er die körperliche Belastung besser weg. Und natürlich verschweigt Thaler nicht, wie gerne er bereits früher wieder die Fussballschuhe für seine Aarauer geschnürt hätte. «Als Profi trainierst du, um dich im Ernstkampf zu messen. Der Matchtag ist doch das Schöne», sagt er. Doch im Ringen zwischen Verstand und Verlangen hat Thaler in den letzten 17 Monaten gelernt, sich mehr und mehr für Ersteres zu entscheiden. Sich Raum zu geben, geduldig zu sein. Dinge in neuem Licht zu betrachten und Balance zu finden.
Damit man diese Entwicklung versteht, beginnt man am besten mit dem 29. Mai 2020. An diesem Tag reisst in Thalers rechtem Knie das Kreuzband. Dieselbe Verletzung hatte er sich zwei Jahre zuvor zugezogen. Die Ärzte stellen hoffnungsvolle Prognosen, geben aber zu bedenken, dass die Rehabilitation angesichts der erlittenen Schäden länger und beschwerdevoller sein würde. Auch die Coronapandemie macht viele Dinge komplizierter. Auf dem Laufband klebt nach wenigen Minuten die Maske im Gesicht, beim Mittagessen in der Physiotherapie sitzt Thaler vorsichtshalber an einem getrennten Tisch.
Die Reha bestreitet er gemeinsam mit seinem ebenfalls verletzten Teamkollegen Miguel Peralta, ansonsten meidet er den Kontakt zur Mannschaft zusehends. Um sich nicht anzustecken, klar, aber auch, weil er spürt, dass ihm die Nähe nicht nur gut tut. Anfänglich schaut Thaler noch bei vielen Trainings zu, doch dann fehlt ihm das Spiel mit dem Ball immer mehr. Der Drang nach Fussball kratzt an seinem Wohlbefinden. Also nimmt er zwischenzeitlich Abstand. «Ich habe gemerkt, dass es besser ist, mich nur darauf zu konzentrieren, dass ich wieder gesund werde.»
Thaler ist keiner, der mit Scheuklappen durchs Leben geht. Der 27-Jährige hat ein feines Sensorium für das, was um ihn herum geschieht – und was in ihm selbst vorgeht. Während der Monate in der Reha erfährt Thaler, wie wichtig es ist, dass nicht nur das Knie heilt, sondern auch der Kopf frisch bleibt.
In den Bergen nimmt er neue Perspektiven ein
Thaler erzählt von «faulen Tagen» im Kraftraum, als er mit Peralta auf einer Matte sitzt, über dies und jenes plaudert und dadurch Kraft tankt. Von Nachmittagen an der Aare mit vormals fremden Leuten aus der Physiotherapie, die später zu guten Bekannten werden. Überdies hat es Thaler die Schweizer Bergwelt angetan. Noch heute nutzt er spiel- und trainingsfreie Tage für Ausflüge in die Alpen. Thaler sagt: «Ich sauge das alles auf. Wenn ich die Berge sehe, wird mir bewusst, wie mächtig die Natur ist und wie klein wir Menschen eigentlich sind.»
Es ist eine allumfassende Perspektive, die Thaler einnimmt. Und vielleicht ist es jene Sichtweise, die hilft, den Fussballer Marco Thaler zu verstehen. Die erklärt, weshalb sich Thaler eben nicht als Stammspieler begreift. Selbst wenn er ahnt, dass die Chancen auf einen Verbleib in der Anfangself nicht allzu schlecht stehen.
«Ich weiss, wie gut ich sein kann», sagt Thaler. «Ich weiss aber auch, dass ich noch nicht auf dem Level bin, auf dem ich vor der Verletzung war.» Um erneut dorthin zu gelangen, bleibt Thaler Zeit. Die nötige Geduld hat er sich angeeignet.
Dominantes Aarau schlägt Luzern im Test 6:2
Nach dem 0:0 in der Meisterschaft gegen Kriens hat der FC Aarau am Freitag ein starkes offensives Zeichen gesetzt. In einem Testspiel im Brügglifeld fertigten die Aarauer den FC Luzern gleich mit 6:2 ab.
Trainer Stephan Keller nutzte die Gelegenheit, um jenen Kaderspielern Einsatzzeit zu verschaffen, die in der bisherigen Saison bislang keine grosse Rolle gespielt haben. Zwei dieser Akteure konnten besonders viele Argumente in eigener Sache sammeln: Gobé Gouano und Randy Schneider.
Der französisch-ivorische Neuzuzug Gouano war es, der den Torreigen in der 10. Minute eröffnete. Im Anschluss wechselte er sich mit Schneider im Toreschiessen munter ab. Erst traf Schneider nach einem schönen Solo im Strafraum zum 2:0 (13.), dann schloss Gouano aus nächster Nähe wuchtig ab (22.), ehe abermals Schneider in der 34. Minute auf 4:0 erhöhte. Die in der Abwehr inferior auftretenden Gäste kamen unmittelbar vor der Pause zwar auf 2:4 heran, doch Bastien Conus (84.) und Jérôme Thiesson (89.) stellten den alten Abstand kurz vor Ende der Partie wieder her. Schade nur für die Aarauer, dass der dominante Auftritt gegen den Super-Ligisten in keiner offiziellen Wertung Eingang findet.